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Die Sendung zum Nachlesen:
Manchmal fragen mich Freunde halb im Scherz: Ist das nicht ein seltsames Hobby für eine Pfarrerin? Wenn ich mal wieder begeistert von Steinkreisen erzähle, die ich im Urlaub gesucht und gefunden habe.
Meine Leidenschaft für Steinkreise hat durchaus auch mit Andacht zu tun, mit inspirierten Momenten. In diesem Sommer stand ich sogar zwischen sechs Steinkreisen auf einer Ebene der schottischen Insel Arran (1). Intuitiv meinte ich zu begreifen, warum Menschen vor uns sie dort errichtet haben: Mit Rundum-Blick in den Himmel, nachts gewiss mit einem Sternenhimmel, der ehrfürchtig macht. Die Steinkreise dort sind kunstvoll eingefügt zwischen Bergen und Meer. Man hört Vögel singen, Gräser rauschen, und ab und zu ein Schaf.
Es berührt mich, dass Menschen schon immer mehr gesucht haben als das nackte Überleben. Mehr als essen, trinken, schlafen. Seit Urzeiten brauchten sie Orientierung, suchten nach Sinn und haben sich zwischen Himmel und Erde verortet. Dafür unternahmen sie unfassbare Anstrengungen: Sie zogen riesige Steine von weit her über Land und richteten sie auf mit technischem Können und Klugheit, die ich nur bewundern kann.
In Europa gab es tausende Steinkreise. Die meisten sind verschwunden, sind verwittert oder dienten späteren Bewohnern als Baumaterial. Die kostbaren verbliebenen führen weit zurück in die Menschheitsgeschichte. Die ältesten sind 175.000 Jahre alt in einer Höhle in Frankreich (2). Der populärste entstand vor 5000 Jahren unter freiem Himmel, Stonehenge in England. Spektakulär ist ein Kreis in Sachsen-Anhalt. Er war aus Holz. Das Ringheiligtum von Pömmelte wurde gerade rekonstruiert und macht sprachlos mit den gleichen Dimensionen wie Stonehenge (3).
Vieles bleibt geheimnisvoll. Es gibt ja keine schriftlichen Zeugnisse. Klar ist aber: Die Kreise waren religiöse und alltagspraktische Bauwerke zugleich.
Viele dienten als Kalender. In den Lücken zwischen den Steinen kann man die Sonnenwenden beobachten. Die Menschen fügten sich so ein in die kosmische Ordnung und steigerten damit ihre Chancen auf gutes Leben. Wenn man Saat und Ernte berechnen kann, erzielt man gerade in nördlichen Gegenden bessere Erträge und kommt eher über den Winter.
Die Menschen der Steinkreise hatten gewiss die Fragen, die Menschen von Anbeginn stellen: Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Was soll ich tun? Steinkreise waren heilige Versammlungs- und Feier-Orte, wo es um Antworten auf diese Fragen ging. Auch wenn sich ihre Antworten nicht erhalten haben, offenbar berührten sich dort für die Menschen Tod und Leben. Viele ließen sich in der Nähe bestatten.
Die Kultur der Steinkreise hat über zehntausende von Jahren den Menschen auch spirituell Halt gegeben, sonst hätten sie sich nicht überall verbreitet. Sie haben Jahrtausende wechselnde Herrscher, Clans und Epochen überstanden.
Wenn ich an einem Steinkreis stehe, empfinde ich großen Respekt. Gott suche ich nicht darin. Mir erschließt sich Gott in den Glaubenserfahrungen der Bibel durch Jesus Christus und in der Gemeinschaft mit anderen Christen.
Und doch ist das, was ich in Steinkreisen erlebe, für mich auch religiöse Erfahrung. Sie lassen mich spüren, dass Religion von Anfang an zum Menschsein gehört. Mir wird dort bewusst: Religionen sind Fragmente, die danach tasten, Gott zu entsprechen. Ich kann und will auch nur meinen eigenen Glauben leben und zur Geltung bringen, ohne andere herabzusetzen. Zu meinem christlichen Glauben gehört für mich auch das Staunen über die Gotteserfahrungen anderer. Auch die der Menschen weit vor mir.
Es gilt das gesprochene Wort.
Literatur dieser Sendung:
- https://de.wikipedia.org/wiki/Machrie_Moor
- https://de.wikipedia.org/wiki/Steinkreise_in_der_H%C3%B6hle_von_Bruniquel
- https://www.himmelswege.de/orte/ringheiligtum-poemmelte