Morgenandacht
epd-bild/Tim Wegner
Den Mächtigen Feuer unterm Hintern machen
Morgenandacht von Pfarrer Martin Vorländer
11.11.2023 05:35

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Die Sendung zum Nachlesen: 

Die ganze Woche schon sind Kinder mit Laternen bei Einbruch der Dunkelheit unterwegs und singen „Sankt Martin, Sankt Martin“. Ich heiße Martin, und auch wenn in meinem evangelischen Elternhaus Heilige und Namenstage keine Rolle gespielt haben, fand ich es immer schön, dass die Geschichte meines legendären Namensverwandten besungen und mit Laternen beleuchtet wird.

In einigen Städten und an manchen Orten ist beim Martinsumzug sogar ein Reiter auf einem echten Pferd dabei, der mit einem weiten roten Umhang den römischen Gardeoffizier Martin aus dem 4. Jahrhundert verkörpert.

Von dessen legendärem Mantelteilen singen die Kinder. Sankt Martin ritt auf seinem Ross durch Schnee und Wind. Dass er ein Pferd hat, deutet darauf hin: Er gehörte zu den Privilegierten. Im Schnee saß ein armer Mann am Stadttor von Amiens im heutigen Frankreich. Er hat „Kleider nicht, hat Lumpen an“. Nicht ungewöhnlich damals. Gallien war unter der Besatzung der Römer zum Armenhaus heruntergekommen.

Obwohl der Anblick von Armut alltäglich ist, versteht Martin, dass es jetzt auf ihn ankommt. Er zieht die Zügel an, bringt sein Pferd zum Stehen und teilt mit seinem Schwert den Mantel. Eine Hälfte für den Armen, eine Hälfte für ihn. Dann reitet er weiter. Helfen bedeutet nicht völlige Selbstaufgabe. Martin tut etwas für den anderen, ohne sich selbst zu vergessen. Das biblische Gebot der Nächstenliebe lautet: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Es hat zwei Teile: den Nächsten und mich selbst. Mit einem Schwertstreich wurde Martin zu einer zeitlosen Symbolfigur für die Botschaft: Teilen hilft. Und: Ein Schwert muss nicht nur zum Töten da sein. Martin hat es kurzerhand umfunktioniert zu einem Instrument für Hilfe.

Martin wusste der Legende nach durchaus, dass es nicht nur die gute Tat Einzelner, sondern auch politische Entscheidungen von höchster Stelle braucht, um Menschen in Krisen dauerhaft zu helfen. So entscheidungsfreudig er dem Bettler geholfen hat, so hartnäckig konnte er später den Mächtigen auf die Nerven fallen. Er hat ihnen richtig Feuer unterm Hintern gemacht. In der sogenannten „Goldenen Legende“(1), einem Buch über Heilige aus dem Mittelalter, habe ich dazu eine Geschichte über Martin gefunden.

Der Soldat Martin wurde erst Christ, dann Einsiedler und schließlich Bischof von Tours. Als Bischof nun will Martin in einer „notdürftigen Sache“ den römischen Kaiser Valentinianus sprechen. Der Kaiser ahnt, dass diese moralische Nervensäge etwas von ihm verlangen wird, das er nicht tun will. Darum lässt er die Tore des Palastes verschließen.

Nach mehreren Versuchen, mit Hartnäckigkeit und ein paar Tricks, die Heilige anscheinend auf Lager haben, schafft es Martin doch, bis vor den Kaiser zu kommen. Der ist jetzt noch viel weniger darüber amüsiert, dass seine Abschottung versagt hat. Er will für diesen lästigen Typen noch nicht einmal von seinem Thron aufstehen.

Da bedeckt plötzlich Feuer den Thron und brennt den Kaiser an seinem Hintern. Er springt auf und erkennt, dass es Gottes Macht ist, die ihn angekokelt hat. Er umarmt den Heiligen mit Fleiß und bewilligt ihm alles, noch ehe Martin darum gebeten hat.

Ein Kaiser mit verbranntem Hintern. Das ist natürlich nur eine Legende. Aber eine mit Humor. Sie illustriert: Man darf sich nicht von den ersten vergeblichen Versuchen entmutigen und nicht von Potentaten einschüchtern lassen. Egal wie viel Macht jemand hat, er steht letztlich genauso vor Gott. Es braucht Hartnäckigkeit, wenn man etwas zum Guten bewegen will.


Es gilt das gesprochene Wort.

 

Literatur dieser Sendung:

  1. https://www.heiligenlexikon.de/Legenda_Aurea/Martin.htm.