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Die Sendung zum Nachlesen:
Alleingänge können herrlich sein. Allein spazieren gehen – nur ich, die Natur um mich herum und der Himmel über mir. Oder: Nach Hause kommen, die Wohnungstür hinter mir schließen, die Welt bleibt draußen und muss warten, ich habe Zeit für mich. Alleingänge können zeigen: Ich lasse mich nicht beirren von dem, was andere sagen. Ich gehe meinen Weg. Mit Sinn und Verstand.
Aber bei aller Wertschätzung für Alleingänge, ich brauche auch die Erfahrung: You’ll never walk alone! Du musst nicht allein gehen. Es gibt die vertrauten Weggefährten. Und es gibt die Zufallsmenschen, die meinen Weg kreuzen. Für mich als gläubiger Mensch kommt dazu: Ich vertraue darauf, dass Gott an meiner Seite ist. Das gehört zu den Zusagen in der Bibel: You’ll never walk alone! Ob du momentan auf gerader Straße gehst und alles gut läuft oder ob dein Weg zurzeit durch ein finsteres Tal führt, Gott ist bei dir. Besonders wenn es hart auf hart kommt, vergewissere ich mich: Gott, bist du da? Komm rüber - ich brauche dich jetzt besonders. Dadurch verschwindet kein Problem. Aber mir gibt das inneren Halt.
„Komm rüber! Sieben Wochen ohne Alleingänge“ heißt dieses Jahr die Fastenaktion der Evangelischen Kirche. Komm rüber! Das nehme ich als freundlichen Stubser, als kleinen Wink, damit ich aus mir herauskomme und mich auf Begegnung einlasse. Sieben Wochen bis Ostern zum Ausschauhalten nach dem Miteinander.
Wie viel Bekräftigung und Ermutigung im Miteinander liegen, ist bei den anhaltenden Demonstrationen gegen Rechtsextremismus zu erleben. Heute gibt es zum Beispiel in Cottbus auf dem Altmarkt um 17 Uhr eine Kundgebung unter der Überschrift „Nie wieder ist jetzt!“. Es ist beeindruckend, wenn man merkt: Nein, wir sind nicht verstreute Einzelne. Wir sind viele, die sich für Demokratie und die Wahrung der Menschenwürde in Deutschland einsetzen und dafür auf die Straße gehen.
Komm-rüber-Erfahrungen gibt es auch im kleineren Maßstab. Wenn eine Nachbarin von Balkon zu Balkon oder über den Gartenzaun sagt: „Kommen Sie doch rüber auf einen Kaffee!“ Auf der anderen Straßenseite sieht jemand eine Bekannte und will eigentlich schon weiter. Aber dann nimmt er sich den Moment Zeit und geht rüber für ein „Hallo, wie geht’s?“. Auf dem Bahnsteig steht eine Mutter mit Kinderwagen vor dem Lift mit dem Schild „Aufzug defekt“. Drei Jugendliche gehen rüber und fragen: „Können wir Ihnen helfen?“ Gemeinsam tragen sie den Kinderwagen die Treppe runter.
„Komm rüber!“ Ohne diesen Satz gäbe es kein Christentum in Europa. Die Geschichte in der Bibel beginnt mit einem Traum. Der Apostel Paulus ist in der Hafenstadt Troas in der heutigen Türkei und träumt in der Nacht. Ein Mazedonier erscheint ihm auf der gegenüberliegenden Küstenseite und ruft ihm über das Mittelmeer zu: „Komm herüber und hilf uns!“ (Apostelgeschichte 16,9) Paulus versteht den Traum als Ruf Gottes. Er setzt sogleich mit dem Schiff über nach Europa. Paulus will den Glauben und die Hoffnung, dass Jesus Christus den Tod besiegt hat, zu den Menschen auf dem anderen Kontinent bringen.
„Komm herüber und hilf uns!“, ruft der Mazedonier Paulus im Traum zu. Helfen. Für andere da sein. Das steht am Anfang der Geschichte, wie das Christentum nach Europa kam. Das wirkt bis heute. Es bedeutet praktische Hilfe. Es umfasst, das miteinander zu teilen, was Glaube, Hoffnung, Liebe stärkt.
Es gibt genug Kräfte, die Menschen auseinanderbringen und die Welt spalten wollen. „Komm rüber!“ ist die Gegenbewegung. Was sorgt für Begegnung? Was stärkt das Miteinander? Die sieben Wochen bis Ostern nehme ich als Gelegenheit, die Beziehungen und Begegnungen in meinem Leben zu sichten und zu pflegen. Was sind meine wichtigen, vertrauten Verbindungen zu anderen? Brauchen die vielleicht mal wieder einen „Komm rüber!“-Moment? Welche Zufallsmenschen kreuzen meinen Weg? Wo warte ich darauf, dass mir andere „Komm rüber!“ zurufen? Und was brauche ich, damit ich es selbst zu jemand anderem sage: Komm rüber!
Es gilt das gesprochene Wort.