Gemeinfrei via unsplash/ Kaitlyn Baker
Hass im Netz
Gedanken zur Woche von Pfarrer Martin Vorländer
16.02.2024 05:35
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Sendung zum Nachlesen:

„Verbirg mich vor den Anschlägen der Bösen, (…) die ihre Zunge schärfen wie ein Schwert, mit ihren giftigen Worten zielen wie mit Pfeilen. Sie schießen heimlich. Plötzlich schießen sie ohne alle Scheu.“ (Psalm 64,4-5) Diese Bitte steht im 64. Psalm in der Bibel.

Die Sätze sind mehrere tausend Jahre alt. Aber sie drücken aus, was heute im 21. Jahrhundert viele im Netz und auf Social Media-Plattformen erleben. Ohne alle Scheu posten Leute ihren Hass und zielen mit ihren giftigen Worten auf andere wie mit Pfeilen. Ihre bösen Kommentare sind wie Anschläge aus dem Hinterhalt. Wen sie treffen, die und der fühlt sich wie ausgeliefert, ohnmächtig gegenüber all dem Hässlichen, das über sie ausgeschüttet wird.

In dieser Woche wurde eine Studie (1) veröffentlicht, die untersucht hat, wie weit der Hass im Netz verbreitet ist und was er anrichtet. Mehr als 3.000 Internetnutzerinnen und -nutzer in Deutschland ab 16 Jahren wurden befragt, was sie im Internet erleben. Die Ergebnisse sind erschreckend: „Fast jede zweite Person (49 %) wurde schon einmal online beleidigt. Ein Viertel (25 %) der Befragten wurde mit körperlicher Gewalt und 13 % mit sexualisierter Gewalt konfrontiert.“ (2)

Hass im Netz kann alle treffen. Aber er trifft nicht alle gleich. Besonders häufig attackiert werden junge Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund sowie Menschen mit homosexueller oder bisexueller Orientierung. Fast jede zweite junge Frau hat schon mal ungefragt ein Nacktfoto erhalten. Andere bekommen Gewalt- und Morddrohungen wie „Wir machen dich fertig. Wir kriegen dich. Wir betonieren dich drei Meter unter der Autobahn ein und donnern mit 260 km/h über dich drüber“.

Worte wie Pfeile. Und sie treffen. „Verbirg mich vor den Anschlägen der Bösen“, heißt die Bitte in dem Psalm. Sich verbergen, das tun in der Tat viele: Sie ziehen sich zurück. Die Studie über Hass im Netz stellt fest: „Mehr als die Hälfte bekennt sich aus Angst im Netz seltener zur eigenen politischen Meinung (57 %) und beteiligt sich seltener an Diskussionen (55 %).“ Das ist schrecklich für die Einzelnen. Und gefährlich für unsere Demokratie. Denn dadurch überlassen wir das Netz immer mehr denen, die ihren Hass verbreiten.

Hass entsteht nicht spontan aus dem Bauch heraus. Rechtsextremisten wissen das Internet treffsicher für ihre vergifteten Botschaften zu nutzen. Sie stacheln ihre Anhänger an, gezielt auf andere loszugehen und sie fertigzumachen. Der Hass hat System. Im Psalm steht: „Sie haben Böses im Sinn und sprechen: Wir haben einen hinterhältigen Plan gefasst.“ (Psalm 64,7)

Was hilft gegen diesen hinterhältigen, geplanten Hass? Die Macherinnen und Macher der Studie über Hass im Netz fordern besseren Schutz für die Betroffenen. Das bedeutet: Strafanzeigen konsequent verfolgen. Mehr Anlaufstellen, bei denen man Hilfe bekommt. Social Media-Plattformen finanziell zur Verantwortung ziehen, damit sie gegen Hass auf ihren Kanälen vorgehen. Und die Medienkompetenz stärken.

Der Psalm endet, dass der Gerechte und „alle frommen Herzen“ sich freuen werden, weil Gott vor den Hass-Pfeilen rettet. Biblische Sprache. Gemeint sind alle Aufrichtigen, die das Feld nicht dem bösen Treiben überlassen. Diese Aufrichtigen braucht es! Es beginnt damit, wie ich selbst in den Sozialen Medien kommentiere: nicht draufhauen, sondern Argumente austauschen!

Wenn jemand im Netz attackiert wird, dann hilft es, wenn andere ihr und ihm beispringen. Es muss sichtbar werden: Nicht der Hass hat die Mehrheit. Wir gehen für den Schutz von Bedrohten und für Demokratie zu Hundertausenden offline auf die Straße. Ebenso sollten wir auch online die Würde eines jeden Menschen schützen, die unantastbar ist. Das erfordert Mut, den ich nicht immer habe. Aber je mehr wir sind, desto leichter fällt es und desto wirkungsvoller ist es.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Anmerkungen:

  1. https://kompetenznetzwerk-hass-im-netz.de/lauter-hass-leiser-rueckzug/.
  2. https://kompetenznetzwerk-hass-im-netz.de/wp-content/uploads/2024/02/Kurzinformation-Studie_Lauter-Hass-leiser-Rueckzug.pdf.