Die Corona-Zeit war eine traumatische Erfahrung. Auch in Nepal. Dort haben sich einige an eine Überlebenstechnik von früher erinnert.
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In Nepal habe ich vor vielen Jahren einmal gearbeitet. Nach langer Zeit war ich in diesem Frühjahr wieder einmal dort und bin im Land gereist. Wenn man das Kathmandutal verlässt und hinaus in die Berge fährt, beeindrucken die Terrassenfelder. Einige sehen aus wie Teiche, wenn in ihnen junge Reispflanzen gezogen werden. In anderen wogen schon die grünen Halme im Wind. Ein Feld weiter folgt ein Bauer seinem Ochsen und drückt den einfachen Pflug in die feuchte Erde. In dieser Region Landwirtschaft zu betreiben, ist ein mühsames Geschäft.
Dort, wo der Tourismus blüht, sieht man, dass die über Jahrhunderte mühevoll geformten Terrassen langsam verschwinden. Der Monsun schwemmt die künstlichen Begrenzungen weg. Wenn die nicht von Saison zu Saison erneuert werden, existieren sie nach wenigen Jahren nicht mehr.
Eine Zeit lang war das an vielen Orten so. Im Tourismus war gutes Geld zu verdienen, und die heimische Landwirtschaft war gegen die Billigimporte aus Indien nicht mehr konkurrenzfähig. So gaben einige die Terrassenfelder auf und arbeiteten in Hotels und Restaurants.
Dann aber kam Corona. Von einem Monat auf den anderen stand die Welt still, auch in Nepal. Kein Flugzeug landete mehr in Kathmandu, die Touristen blieben aus, die Ersparnisse versiegten. Sogar die preiswerten Lebensmittelimporte aus Indien stoppten. Die Sorge war groß, dass mit dem Gemüse das Virus ins Land geschleppt werden könnte. Darum vernichtete der Zoll ganze Lastwagenladungen an der Grenze.
Dort, wo die Menschen schon immer ganz auf sich selbst angewiesen waren, blieb man von dem Chaos einigermaßen verschont. Aber gerade in den Wohlstandszentren des Landes war die Not extrem. Man hatte sich abhängig gemacht. Nun stand man mit dem Rücken zur Wand.
Wo es irgend ging, stellten sich die Nepalis auf Selbstversorgung um. Einige schauten, wo Felder noch zu retten waren. Sie gingen zu den Bauern und tauschten Saatgut ein. Viele halfen einander, so gut es ging, um zu überleben.
Das sind traumatische Erfahrungen, über die noch heute viel gesprochen wird. Wie fragil ist das gute Leben, das sich zunehmend auf die Weltwirtschaft stützt? Das fragt man sich nicht nur in Nepal.
Bei uns in Deutschland hat die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten auch unter Corona weitgehend funktioniert. Aber welche Ressourcen stehen uns zur Verfügung, wenn unsere eng geknüpften Versorgungsketten einmal reißen sollten?
Viele Nepalis wussten immerhin noch, wie Landwirtschaft funktioniert. Aber noch wichtiger war, so haben sie mir erzählt: "Wir haben wieder begriffen, dass wir einander brauchen."
Es gilt das gesprochene Wort.