In der Kunst gibt es Epochen, die haben den Schatten gemieden, weil er zeigt: Etwas oder jemand steht dem Licht im Weg. Dabei kann Schatten heilsam sein.
Sendung nachlesen:
Er war lange Zeit da und verschwand dann plötzlich. Erst im 15. Jahrhundert zeigte er sich wieder auf Gemälden und Leinwänden: der Schatten. (1)
In den Jahrhunderten zuvor wollte man den Schatten nicht. Heilige sollten überirdisch-losgelöst aussehen. Wer aber einen Schatten wirft, steht irgendeinem Licht im Weg. Und er oder sie wird den eigenen Schatten auch nicht los.
In der Bibel ist das nicht so. Da kann bereits der Schatten heilsam wirken. Von Petrus erzählt die Apostelgeschichte: Kranke Menschen setzten sich extra an die Straße, auf der Petrus vorbeikam. Wenigstens sein Schatten sollte auf sie fallen. (Apostelgeschichte 5,15)
Schatten bedeutet im heißen Heiligen Land der Bibel: Schutz vor dem, was zu grell ist. In einem Psalm wird Gottes Wirken so beschrieben: "Wie köstlich ist deine Güte, Gott, dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben!" (Psalm 36,8) Der Schatten Gottes als sicherer Ort.
Vielleicht auch, weil die direkte Begegnung mit Gottes Licht zu viel wäre. In die Sonne zu schauen ist keine gute Idee. Zu grell, zu beißend. Und mit bloßem Auge erkennt man doch nichts, es ist schlicht zu hell. Ähnlich scheint es mit Gott zu sein.
Womöglich sogar noch gefährlicher. Die Bibel erzählt von Mose. Er wünscht sich unbedingt, Gottes Angesicht zu sehen. Gott will ihm diesen Wunsch sogar erfüllen, aber hat Angst um Mose und sagt: "Kein Mensch überlebt es, mein Angesicht zu sehen." Dennoch erfüllt Gott Moses Bitte, aber auf die fürsorglichste Art, die ich mir vorstellen kann: Gott geht so nah an Mose vorbei, dass der ihn sehen könnte. Zugleich hält Gott schützend seine Hand über Moses Augen. Erst als Gott an ihm vorbei ist, kann Mose ihm hinterhersehen. (2. Mose 33, 20-23)
Gott mit seiner Überfülle an Licht zeigt sich. Gleichzeitig wirft Gott mit seiner Hand einen Schatten, in dem Mose geschützt ist.
Im Schatten Gottes. Das ist ein Bild dafür: Hier finde ich Licht. Nahe genug, dass es mich erleuchtet und wärmt. Aber auch dosiert genug, dass es mich nicht blendet. "Wie köstlich ist deine Güte, Gott, dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben!"
Es gilt das gesprochene Wort.
Literaturangaben:
(1) Vgl. Heine, Florian: Meilensteine. Wie große Ideen die Kunst veränderten (München 2012), S. 58-65.