Es war zwei Tage vor Christi Himmelfahrt, als Nazi-Deutschland im Mai vor 80 Jahren kapituliert hat. Was war da alles im Raum, als die Menschen damals am Feiertag in der Kirche saßen?
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Knapp drei Wochen war der Frieden alt, heute vor 80 Jahren. In der Geschichte unseres Landes wurde der Tag der Kapitulation am 8. Mai immer mehr zu einem Tag der Befreiung. Es gibt viel Grund, dankbar zu sein, dass die Nazi-Diktatur endlich zum Ende kam, der schlimmste Krieg der Geschichte auch, zumindest in Europa, dass Westdeutschland seit nunmehr acht Jahrzehnte in Frieden, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit erlebt und wir seit 35 Jahren friedlich vereint sind, Ost und West.
Der 8. Mai 1945 fiel auf den Dienstag vor Himmelfahrt, so wie heute Himmelfahrt vor der Tür steht. In der Husumer Marienkirche, an der ich Pastor bin, wurde also vor 80 Jahren Christi Himmelfahrt im Zeichen des Kriegsendes gefeiert. Viel Kummer war da mit im Raum, Trauernde, Verwundete an Körper und Seele, Entwurzelte und Vertriebene. Witwen und Waisen. Für Erleichterung war es für die meisten noch zu früh. Und manche hatten es bis zum Schluss nicht kapiert, dass der angebliche Endsieg für ein globales Höllenszenario stand.
Auch meine Oma hat an dem Tag der Kapitulation Deutschlands geheult, hat sie mir erzählt. Nicht, weil sie glühende Anhängerin Hitlers gewesen wäre. Aber ihr Ehemann war wenig zuvor gefallen und ihr Sohn auch. Mit der Unterschrift unter der Kapitulation war die Sinnlosigkeit dieser Tode nochmals dokumentiert. Was für ein Irrsinn, dieser Weltkrieg. Mehr als 60 Millionen Tote. Um jeden einzelnen Menschen wurde geweint.
Welchen Trost konnte da damals geben? Für Christenmenschen steht Himmelfahrt für die Hoffnung: Irgendwann wird das Schwere leicht. Was Menschen zu Boden drückt, Schmerz und Schuld, Last und Leid, oft mehr als zu tragen sein kann – das darf irgendwann unten zurückbleiben.
Als eine Art Schubumkehr gegen die Schwerkraft lese ich die biblische Erzählung von Himmelfahrt: Der auferstandene Jesus segnet noch einmal seine Jünger. Dann wird er vor ihren Augen emporgehoben. Eine Wolke nimmt ihn auf.
Frei von Schwerkraft, losgelöst, sich aber eben auch entziehend, einer, der sich davon macht in himmlische Gefilde. Die Jünger, die verstört hinterherblicken, bleiben alleine zurück. Aber sie haben den Himmel offen gesehen. Das verändert alles. Der Schmerz ist ein anderer für die, die in den offenen Himmel geblickt haben. Tut immer noch weh, aber anders. Die Schwere ist nicht mehr alternativlos.
Trotzig gegen die Schwerkraft anzubeten und gegen sie anzusingen, das ist die Aufgabe an Himmelfahrt. 1945 wird das noch sehr verzagt geklungen haben. Aber auch 80 Jahre später sind wir doch auch immer noch am Üben.
Es gilt das gesprochene Wort.
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