Das Wissen ist alt und immer neu: Der Tod lässt niemanden aus. Wie lebt es sich damit?
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Ein Bilderreigen des Schreckens, so sehen die Totentanz-Darstellungen aus dem Mittelalter aus. Skelette, die Knochen ihrer Schienbeine zum Tanzschritt überkreuzt, haben sich bei den noch Lebenden untergehakt. Da müssen sie alle mit, die Reichen und die Armen, die Könige und die Bettler, die Alten und die Jungen.
Pestzeiten haben das Material geliefert, denn niemand war sicher. Letztlich ist das aber die Quersumme aller Zeiten. Das Einzige, was an jeder, wirklich jeder Wiege gesungen wird: Einmal müssen wir davon. Totentanz eben.
Carola Moosbach hat einen Totentanz im 21. Jahrhundert gedichtet. Wer da alles hinübertanzen muss…
Börsenpäpste Sklaventreiber alle müssen mit
Frauenhändler Diktatoren der Tod wippt auf Zehenspitzen
Freut sich auf fette Beute
So beklemmend die eine Gewissheit auch ist, dass niemand verschont wird: Die kleinen Leute nahmen es doch auch mit Genugtuung auf, dass die hohen Herren und Damen nicht verschont werden. Die scheinen sonst so unverwundbar. Sie wähnen sich manchmal sogar über Gesetz und Recht oder gar über Gottes Gebot: Frauenhändler, Diktatoren, Sklaventreiber, alle nimmt der Tod mit. Selbst der Papst, im Mittelalter die höchste Instanz auf Erden, und im Gedicht als Börsenpapst.
Carola Moosbach, Dichterin im Köln unserer Tage, schreibt ihren Totentanz als eine poetische Antwort auf ein Musikstück, das Johann Sebastian Bach vor 300 Jahren komponiert hat. Die Kantate "Ach wie flüchtig, ach wie nichtig" beginnt rasant. Flöten, Oboen und Geigen tanzen umeinander und umspielen den traditionellen Choral von der Vergänglichkeit wie ein tosender Sturzbach: "Ach wie flüchtig, ach wie nichtig". Und so heißt es auch in der Arie: "So schnell ein rauschend Wasser schießt, so eilen unsere Lebenstage…"
Manchmal tanzen die Figuren im Totentanz über eine Brücke, um das Wasser zu überqueren. Manchmal werden sie mitgerissen von dem gewaltigen Element. Halt in der unentrinnbaren Gefahr bietet allein die innere Haltung. "Alles, alles, was wir sehen, das muss fallen und vergehen", heißt es in dem Choral. Am Ende vertont Bach den Satz: "Wer Gott fürcht‘, bleibt ewig stehen." Bei Carola Moosbach wird dies zu einer besonderen Vertrauensübung:
Weil alles verschwinden wird das Ewige suchen
Tief Luft holen hinabtauchen ins Namenlose
Im Takt des Lebens tanzen nicht nach der Pfeife des Todes
Bloß nicht schon zu Lebzeiten nach des Todes Pfeife tanzen, wie die Frauenhändler und Diktatoren es tun. Vielleicht kann ja auch der Tag heute den Takt des Lebens aufnehmen.
Es gilt das gesprochene Wort.
Literatur zur Sendung:
Carola Moosbach: Bereitet die Wege. Poetische Kommentare zu Bachs geistlichen Kantaten. 2012, Strube Verlag München.
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