gemeinfrei via unsplash / Specna Arms
Gewissensentscheidung
Zum Tag der Kriegsdienstverweigerung
15.05.2025 06:20

Die allgemeine Pflicht zum Wehrdienst wieder einführen? Um diese Frage ringen auch Christinnen und Christen. Unsere Autorin hat eine klare Meinung, was an erster Stelle stehen muss.

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Ich habe keine Söhne. Aber heute muss ich an ein Lied von Reinhard Mey denken, das so beginnt: "Ich denk', ich schreib' euch besser schon beizeiten/ Und sag' euch heute schon endgültig ab / Ihr braucht nicht lange Listen auszubreiten/ Um zu sehen, dass ich auch zwei Söhne hab'/ Ich lieb' die beiden, das will ich euch sagen/ Mehr als mein Leben, als mein Augenlicht/ Und die, die werden keine Waffen tragen/ Nein, meine Söhne geb' ich nicht."

Reinhard Mey, selbst ein Kriegskind, hat Generationen vor Augen gemalt: Kein Ziel, keine Ehre und keine Pflicht sind es wert, dafür zwischen Panzern zu sterben. Für Ehre und Pflicht nicht. Aber die Frage stellt sich derzeit neu: Was ist notwendig, um unser Leben in Frieden und Freiheit zu bewahren?

Mein Großvater und Urgroßvater sind im Ersten und Zweiten Weltkrieg umgekommen. So etwas hinterlässt Spuren in der Familiengeschichte. Krieg ist ein Fluch voller Gewalt. Die wirkt nach auf die Generationen, die folgen. Kriegstraumata hören nicht auf, wenn der Krieg zu Ende ist.

Kaum drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges formulierte die Leitung der Evangelischen Kirche in Eisenach diese Worte: "Auf Gewalt ruht kein Segen, Kriege führen nur tiefer in Bitterkeit, Hass, Elend und Verwahrlosung hinein. Die Welt braucht Liebe, nicht Gewalt. Sie braucht Frieden und nicht Krieg." Die Zerstörung war da noch allgegenwärtig.

Wir haben in Deutschland seit 80 Jahren Frieden. 80 Jahre! Mein Großvater und Urgroßvater haben ein solches Alter nie erreicht, weil sie viel zu jung an der Front zu Tode kamen und wahrscheinlich zuvor andere getötet haben. 

Im Grundgesetz der Bundesrepublik steht: "Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden." Heute ist der Internationale Tag der Kriegsdienstverweigerung. Das Grundrecht steht nicht in Frage. Aber es wird diskutiert, ob der Wehrdienst wieder Pflicht sein sollte.

Dazu gibt es auch in den Kirchen unterschiedliche Meinungen und Glaubensgründe. Christinnen und Christen, die eine pazifistische Haltung haben, ringen mit Fragen wie dieser: Kann man den Opfern von Gewalt Schutz verweigern, weil man sagt, Jesus habe strikten Gewaltverzicht gepredigt?

Das Grundgesetz schützt die Gewissensentscheidung des Einzelnen, den Wehrdienst abzulehnen. Eine allgemeine Leistung oder Norm, die für alle Menschen gilt, ist zumindest im Augenblick schwerlich daraus abzuleiten.

Ich meine: Gewaltverzicht ist immer die erste Option und muss sie bleiben. Ich stimme Reinhard Mey zu: Frieden lässt sich nicht in die Herzen schießen. Als Christenmenschen ist es an uns, Räume zu öffnen für das Gespräch mit allen Menschen, die ringen. Mit allen, die sich fragen, welcher Weg der richtige ist: Wehrdienst oder nicht.

Das heißt auch: Niemanden verurteilen, weil er seinem Gewissen folgt. Ich vertraue darauf: Jedes Gewissen ist gehalten von Gottes Wort, das nicht verdammt, sondern nach dem besten Weg fürs Leben sucht.

Es gilt das gesprochene Wort.

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Sendungen von Pröpstin Christina Maria Bammel