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Der Herzplatz im Haus
Mein Küchentisch und der Tisch des Herrn
17.05.2025 06:20

An einem Küchentisch kann man essen, trinken, Geschichten teilen. Unsere Autorin denkt an die Tische, die es in ihrer Biografie gibt, und an die Tischgemeinschaft von Jesus.

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"Ich liebe meine Küche, wir sind ein schönes Paar. Ich mag ihre Gerüche und ich mag ihr Inventar." So singt der Berliner Liedermacher Reinhard Mey. Geht mir ähnlich. Für mich ist die Küche und mittendrin der Küchentisch auch sowas wie der Herzensplatz im Haus: ob ganz still im ersten Sonnenlicht des neuen Tages oder voll von Gästen, die sich um den wackeligen Tisch in der Mitte drängeln und miteinander bis in die Nacht Wein und Geschichten teilen.

Reinhard Meys Liebeserklärung an seine Küche reicht weit: "... der Ort ist meine Tränke, meine Krippe und mein Trog. Da wohnen Knoblauchdünste, Riesling und Blumenkohl, Musen und schöne Künste, ja da ist mir so sauwohl. Und müsst` ich eines Tages wirklich ableben, dann möchte ich gern hier den Löffel abgeben."

Ich kann mir noch andere schöne Orte vorstellen, um den Löffel abzugeben. Aber ein Küchentisch, an dem Menschen essen und sich gemeinsam stärken, ein Tisch, an dem es Leib und Seele gut geht, der ist wundervoll.

Ich denke an das knarzende Fachwerkhaus meiner Großeltern. Da konnte man von der Küche aus direkt hinüber zur Kirche schauen. Wenn die Suppenteller auf dem Tisch standen und wir vor dem Essen gebetet haben, hörte man oft den Kirchenglockenschlag dazu. Dort am Küchentisch Platz zu nehmen, war für mich wie Eintauchen in die Familiengeschichte. Meine Großeltern erzählten von denen, die vor mir waren.  

Ich denke an den riesigen Tisch einer alten Frau in Siebenbürgen, die ich einmal auf einer Rumänienreise kennengelernt habe. Sie saß allein an dem großen Tisch, weil die gesamte Familie längst das Dorf verlassen hatte. Aber für die Dauer meines Besuchs haben wir dennoch – oder: erst recht – das Leben an diesem Tisch gefeiert.

Jesus saß gern zu Tisch. Das hat mir in den biblischen Geschichten über ihn schon immer gefallen. Jesus sorgte für freundliche Tischgemeinschaft. Alle sollten ihren Platz haben: die Übersehenen, die Kaltgestellten, die Erfolgreichen, die Aussortierten.

Wer anfing, um den besten Platz zu streiten, bekam von Jesus was zu hören. Die ersten Christinnen und Christen haben sich vor allem bei Tisch an den Gekreuzigten und Auferstandenen erinnert und ihn vergegenwärtigt. Sie fühlten sich Jesus am nächsten, wenn es eine versöhnte, friedliche Gemeinschaft war. Eine Gemeinschaft, die radikal auf gleiche Würde und gleiche Rechte für alle gesetzt hat.

Das ist in der Geschichte der Christenheit oft vergessen worden, als das Abendmahl immer liturgischer wurde. Die Idee der jesuanischen Tischgemeinschaft wurde mit Regeln und Tabus überdeckt. Aber sie ging nie verloren und schwingt immer mit, egal wo und wie Christinnen und Christen Brot und Wein im Namen Jesu teilen. Offenherzig, freimütig, gastfreundlich. Das kann an einem Altar sein oder an einem Küchentisch.

Es gilt das gesprochene Wort.
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Sendungen von Pröpstin Christina Maria Bammel