Pippi Langstrumpf geht freiwillig in die Schule, weil sie endlich auch Ferien haben will. Aber der Versuch scheitert. Die Geschichte erzählt viel über echte Freiheit und vermeintliche Zwänge.
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Pippi Langstrumpf hat wohl alles, was man sich wünschen kann. Sie ist bärenstark, unabhängig, und clever. Sie besitzt ein Haus, ein Pferd, einen Affen und einen Koffer voll Gold. Und doch gibt es etwas, das sie nie hat: Schulferien! Das empfindet sie als derart ungerecht, dass sie freiwillig in die Schule geht.
Pippis Schulbesuch ist zum Scheitern verurteilt. Er endet damit, dass Pippi sich lieber mit ihrer Ferienlosigkeit abfindet, als sich den Regeln der Schule zu unterwerfen.
Wenn ich wieder einmal viel zu früh geweckt werde, wünsche ich mir diese Unabhängigkeit. In der Ecke leuchtet der Tageslichtwecker meiner Kinder in dunklem Orange. Innerhalb der nächsten 20 Minuten wird er immer heller werden. Dann kommt noch künstliches Vogelgezwitscher dazu. Beides soll meine zwei Nachteulen zum Aufstehen animieren.
Für meine frisch eingeschulte Tochter sind die Ferien auch das Beste an der Schule. Noch lieber würde sie wie Pippi auf Ferien verzichten, wenn sie ein schulfreies Leben führen könnte. Immer wieder fragt sie mich, wer sie eigentlich zwingt, zur Schule zu gehen.
Die oberflächliche Antwort ist klar: Der Staat hat die Schulpflicht festgelegt. Sie muss zur Schule, ob sie und ich wollen oder nicht. Aber das stimmt eben nur oberflächlich. Genauso wie es nur oberflächlich stimmt, dass ich arbeite, weil mein Arbeitgeber das will. Denn es gibt tiefere Gründe.
Pippi Langstrumpf hat alles, was sie braucht, um unabhängig von den Forderungen der Erwachsenen zu leben. Jesus sagt: Auch ihr habt alles, was ihr braucht. Jesus lebte ohne Beruf oder festen Wohnsitz. Er wanderte frei durchs Land.
Und es stimmt: Auch ich könnte Wege finden, freier zu leben, zum Beispiel deutlich weniger arbeiten und mich unabhängig machen von den Forderungen meiner Mitmenschen.
Gleichzeitig merke ich: So will ich eigentlich nicht leben. Ich entscheide mich jeden Tag dafür, mich den Anforderungen zu stellen, die andere an mich haben. Ich setze mir gern Ziele und Aufgaben. Manchmal, wenn mir alles zu viel wird, erinnere ich an meine eigentliche Freiheit. Ich frage mich dann, warum ich Dinge tue, die mir keinen Spaß machen. Und dann merke ich manchmal, was ich lassen kann, und gehe neue Wege. Oder ich bleibe dabei und mache mich dann wieder zufriedener an meine Aufgaben, weil ich mir meiner Motivation wieder bewusst bin.
Auch meine Tochter merkt: Eigentlich will sie lesen, schreiben und rechnen lernen. Erst vor kurzem sagte sie am Nachmittag: Heute war es richtig schön in der Schule. Auf die Ferien freut sie sich trotzdem. Und darauf, dass sie nicht der künstliche Tageslichtwecker aus dem Schlaf holt, sondern sie erst vom richtigen Tageslicht geweckt wird.
Es gilt das gesprochene Wort.
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