Morgenandacht
Nichts gegen Fremde
14.01.2015 05:35

„Ich habe nichts gegen Fremde. Einige meiner besten Freunde sind Fremde. Aber dieser Fremde dort ist nicht von hier!“ Der gute alte Methusalix, bekannt aus der Comic-Reihe Asterix und Obelix, hat über Fremde seine ganz eigene Meinung. Durch eine seltsame Fügung war eine fremde Familie in das berühmte kleine gallische Dorf gelangt. „Neuankömmlinge? Was sind das für Leute?“ so fragt auch Gutemine, die Ehefrau des Häuptlings, mit einer gewissen Skepsis, wenn nicht Argwohn. Die guten alten Vorurteile, die Einheimische gegen Fremde nun mal haben können, sie werden hier augenzwinkernd auf die Schippe genommen. Am Ende gibt’s wieder reichlich Zaubertrank und Wildschweinbraten, und die einzigen Fremden, die wirklich lästig sind, die Römer nämlich, bekommen ordentlich eins auf die Mütze. Alles in bester Ordnung bei Asterix und Obelix im gallischen Dorf.

 

In Deutschland gibt es eine Debatte über Integration. Menschen gehen auf die Straße und demonstrieren gegen eine angeblich drohende Islamisierung der Gesellschaft. Und wer all die Talkshows und Kommentare verfolgt, merkt schnell: Irgendetwas ist hier gar nicht mehr in Ordnung. Gelassenheit, Humor, Augenzwinkern? Völlige Fehlanzeige. Stattdessen verbissene Diskussionen und tatsächlich dumpfe Vorurteile: Dieser Fremde dort ist nicht von hier! Ob die deutschen WM-Stars Miroslav Klose, Sami Khedira und all die andern sich da überhaupt noch richtig zuhause fühlen? Und was ist mit Ahmed, der den besten Döner im Kiez macht und preiswert noch dazu? Und was mit Fabio, dessen unschlagbare Pizza mich oft rettet nach einem langen Arbeitstag? Müssen sie eines Tages ausbaden, was die verqueren Thesen der „Pegida“-Bewegung angerichtet haben?

 

Nun gut, es gibt ein paar Probleme: Die damaligen „Neuankömmlinge“ aus der Türkei etwa, von uns als Gäste umworben und hierher gebracht, sie sind geblieben. Unser Land hat es gewollt und hat sie gebraucht, hunderttausende haben gearbeitet, Steuern und Sozialversicherung gezahlt oder sich selbstständig gemacht. Gerade erst hat die Bertelsmann-Stiftung herausgefunden, dass die 6,6 Millionen Menschen, die in Deutschland ohne deutschen Pass leben, einen riesen Beitrag zu Wachstum und Wohlstand leisten: 

Demnach zahlen Ausländer pro Kopf 3300 Euro mehr Steuern und Sozialabgaben im Jahr als sie an staatlichen Leistungen bekommen. Ein echter Gewinn also – auch in dieser Beziehung. Menschen aus aller Herren Länder sind hier, arbeiten und tragen etwas bei zu unserem Gemeinwesen.  Unter ihnen auch dieser türkische Mann, um die 60, der im Fernsehen zu sagen versucht, er fühle sich längst als Deutscher. Das Problem ist, man versteht ihn kaum. Und wer in seinem Viertel spazieren geht, sieht eine bunte Kinderschar, viele Frauen mit Kopftuch und versteht die meisten Schilder nicht. Sie sind nur auf Türkisch. Was ist da schief gelaufen?

 

Andere Einwanderer, aus Russland etwa, sind nun auch schon 25 Jahre hier. Sie sind gekommen, um zu bleiben – von Anfang an. Manche Eltern tun sich noch schwer, die meisten Kinder und Enkel gehören längst dazu. In all den verschiedenen Kulturen und Nationalitäten gibt es diejenigen, die hier zuhause sind und voll integriert, die fließend deutsch sprechen, arbeiten und Fußball spielen, Firmen gründen und Politik machen. Und es gibt die andern, die unter sich bleiben, sich abschotten und kaum integrieren wollen.  Sicher muss die Politik hier noch weiter lernen und anders handeln. Um das zu erreichen, muss niemand auf die Straße gehen. All diejenigen, die tatsächlich für Integration arbeiten, in Kindergärten und Schulen, in Kirchengemeinden und Kulturzentren, haben da längst gute Vorschläge.

 

 „Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken“, heißt es in der Bibel, „er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland.“ Das ist doch bemerkenswert. Die Nächstenliebe, das höchste Gebot von Juden und Christen, sie gilt besonders den Fremden. Und warum? Weil eine ganze Geschichte dahinter steht – und eine starke Erinnerung: Ihr seid selbst Fremde gewesen.  Und ich sehe Jérôme Boateng, Marietta Slomka und Pinar Atalay. Geboren in Berlin, Köln, und Lemgo. Und denke: Wie schön!