Viele Monate sind sie hungrig ins Bett gegangen, Elimelech und seine Frau Noomi. Sie sehen zu, dass wenigstens ihre beiden kleinen Kinder genug zu essen haben. "Irgendwann wird es auch mal wieder bessere Zeiten geben", haben sie sich immer wieder gesagt und durchgehalten. Schließlich sind sie nicht die Einzigen, die hungern. Inständig beten sie zu Gott, dass er der langen Dürrezeit in ihrem Land ein Ende bereiten möge. Ohne Erfolg. Nun müssen auch die Kinder hungern. Immer häufiger werden sie krank und weinen. Was für ein Leben?! Alles dreht sich nur noch darum, wie man irgendetwas zu essen besorgen und den nächsten Tag überstehen kann. Noch vor wenigen Jahren, als sie geheiratet haben und kurz hintereinander die beiden Söhne geboren sind, haben sie gedacht, dass nun nichts und niemand ihr Glück zerstören könnte.
Mehr noch als unter dem Hunger leiden sie darunter, ihre Kinder niemals spielen und lachen zu sehen. Diese Traurigkeit der Kinder und die Frage, was aus ihnen werden soll, lässt den Entschluss in ihnen reifen, die Heimat zu verlassen. Kein leichter Entschluss! Sie ahnen, wie schwer es sein wird, ein neues Zuhause bei Menschen zu suchen, die in einem anderen Glauben aufgewachsen sind, eine andere Sprache sprechen als sie und ganz andere Sitten und Gebräuche haben.
Was sich so anhört wie eine Geschichte aus unseren Tagen, ist schon vor 3000 Jahren passiert. Die Bibel erzählt im Buch Ruth vom Schicksal dieser jungen Familie.
Es gibt wohl mehr Dinge, als wir uns eingestehen mögen, die so geblieben sind wie vor Tausenden von Jahren: Nach wie vor hungern Menschen. Nach wie vor herrscht Misstrauen gegenüber Andersgläubigen. Und nicht wenige sehen Fremde als Bedrohung an. "Wir müssen unsere Werte verteidigen", hört man sie sagen – heute wie damals. Dass sie dies gerade dann tun, wenn sie Fremden freundlich und offen begegnen, ist ihnen wohl gar nicht bewusst. Alle großen Religionen kennen das Gebot, gastfreundlich zu sein gegenüber Fremden. Aber bei kaum einem anderen Gebot klaffen Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinander.
Was ist aus der jungen Familie geworden, die sich damals schweren Herzens auf eine ungewisse Zukunft in einem fremden Land eingelassen hat? Sie findet tatsächlich einen Platz, wo sie wohnen kann und genug zum Leben hat. Die Strapazen der Flucht haben sich gelohnt. Auch scheint es für die Migranten keine sonderlichen Schwierigkeiten zu geben, mit den fremden Verhältnissen und Menschen vertraut zu werden. Jedenfalls berichtet die Bibel nichts Gegenteiliges.
Was die Zukunft ihnen noch bringen wird, wissen sie zu dem Zeitpunkt nicht. Da genügt es ihnen, keine Angst mehr vor Morgen haben zu müssen und hin und wieder das Lachen ihrer Kinder zu hören.