Sendung zum Nachlesen
Als wir vor zwei Jahren mit dem Gemeinschaftsgarten angefangen haben, sind wir im Team erst wenige gewesen. Die gärtnerische Arbeit hier an der Bernauer Straße in Berlin-Mitte war hart. Schon der Boden war hart, der sich auf dem Grenzstreifen der Berliner Mauer über 50 Jahre verfestigt hatte.
Ab und an stießen wir mit den Spaten und Spitzhacken auf Einfassungen alter Gräber. Vor dem Mauerbau 1961 gehörte unser Gartengelände zu einem Friedhof. Beim Umgraben fanden wir auch Schutt und Backsteine mit Verzierungen. Oder Teile von einem Schieferdach. Alles sind Überreste der alten Versöhnungskirche, die hier 24 Jahre lang eingemauert und unzugänglich mitten auf dem Grenzstreifen gestanden hat. Bis sie 1985, nach siebenjährigen Verhandlungen, von der West-Berliner Gemeinde abgegeben und auf Befehl der DDR-Regierung gesprengt wurde.
Zu unserer Gartengruppe sind nach und nach mehr Menschen dazu gekommen. Manche hatten es von Freunden erfahren, dass unsere benachbarten Kirchengemeinden einen Garten anlegen. Andere lasen es in der Zeitung. So ist auch eine Floristin zu uns gekommen, ich nenne sie hier mal Linda.
Sie wollte sich um den Kompost kümmern, und sagte, "es erdet mich, wenn ich mit Erde arbeite". Nichts, was in unserem Garten anfällt, kommt raus, war ihre Devise. Bei ihr landet seitdem alles, was abgeschnitten wird oder vertrocknet ist. "Kompost ist für mich wie eine Quelle des Lebens", erzählt Linda. Sie erklärt uns ihren sorgsamen Umgang mit dem scheinbar Unbrauchbaren. Wie sie der Erde zurückgeben will, was der Boden hervorgebracht hat. Behutsam beschreibt sie ihr Kompostieren: Sie legt kleine Zweige ein, und mischt dazu Gras und Schredder. Bei guter Mischung, erzählt sie, wimmelt es nur so von Würmern, Asseln und Mikroben. Deren unablässige Arbeit heizt den Kompost sogar auf, bis zu 40 Grad, und verwandelt die alte Substanz in eine neue.
Das Besondere an diesem Gemeinschaftsgarten sei für sie die Nachbarschaft des Friedhofes, erzählt Linda. Viele, die hier liegen, hat sie gut gekannt. Wenn sie am Kompost arbeitet, spüre sie etwas Kostbares. "Das Arbeiten mit den Wurzeln verwurzelt", hat sie erfahren.
Mich berührt Lindas Gewissheit der Hoffnung, an einem einst so verwundeten Ort Berlins. Ich muss an das uralte Bibelwort von der Erde denken, das zu Adam gesprochen wird, in der Schöpfungsgeschichte: "Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen – bis du wieder zu Erde wirst, davon du genommen bist".
Seit wir in dem Garten arbeiten, in der Nähe der Gräber, klingt dieser Satz für mich wie ein Friedenswort. Menschen kommen und gehen, Diktaturen herrschen und gehen unter. Und wir erleben, dass auf dem Todesstreifen das Leben erblüht.
Es gilt das gesprochene Wort.