Wort zum Tage
Sommerimpressionen
Maria
30.08.2018 06:20
Sendung zum Nachlesen

Im Urlaub spielen wir Karten. Jeden Abend. Manchmal schon morgens nach dem Frühstück:  Skat und Doppelkopf. Wenn das Blatt zum Verzweifeln ist und bloß noch Nullspiel eine Chance auf Erfolg verspricht, blicke ich von meinen Karten auf zur Wand. Wir wohnen in einer Almhütte. Innen Holz, sparsame Möblierung, über der rustikalen Essecke hängt eine Stickerei: Ein Frauenbildnis mit Blumen umrandet, darunter ein Spruch: „Halt dich an Maria fest, arm ist der, der sie verlässt.“ Ich bin Protestantin. In meiner Glaubenstradition taucht Maria nur selten auf: Meistens in der Advents- und Weihnachtszeit und in der Karwoche. Ansonsten ist es eher still um sie. Schade eigentlich. Der Spruch gefällt mir. Ich mag die Glaubensgewissheit – mitten hinein in den Alltag gesprochen: am Frühstückstisch, beim Kartenspiel, beim Glas Wein abends nach einem anstrengenden und erfülltem Wandertag durch die Berge. Ich mag auch die überraschende Aussage: Halt dich an Maria fest, arm ist nicht der, den sie verlässt, sondern arm ist der, der sie verlässt! Die Stickerei da oben auf der Almhütte stammt aus vergangenen Zeiten, doch sie ist erstaunlich aufgeklärt, was ihr Menschenbild anbelangt: Da wird mir etwas zugetraut. Ich habe es in der Hand, ob ich mich Gott oder der Gottesmutter anvertraue – oder eben nicht. Auf mich kommt es an. Gott ist kein bloßes Schicksal und Maria ist es auch nicht.

Meine Gedanken schweifen ab – weg aus den Bergen noch weiter in den Süden. Ins ferne Katalonien in die Hafenstadt Barcelona. Dort gibt es eine Kirche, deren Betreten einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen hat: Sie trägt den Namen Santa Maria del Mar – Santa Maria des Meeres. Wer die gotische Kirche betritt, sieht zuerst einmal nichts als Licht. Das Licht Barcelonas, das so viel heller und glänzender ist als anderswo. Und dann  sieht er eine Figur. Sie steht im Zentrum der Kirche: Maria mit dem Kind auf dem Arm. Kein Altar, kein Kreuz, kein Kruzifix. Nur dieses Bild vom Anfang des Lebens. Nur dieses Bild der Mutter Gottes – Inbegriff der nahen Verbindung zwischen Gott und Mensch, die durch Christus unaufkündbar ist. Ich mag mich vielleicht abwenden von diesem Gott, er wird mich trotzdem weiterlieben und mit mir verbunden bleiben – so wie eine Mutter mit ihrem Kind. Bei meiner Abreise mache ich ein Foto von der Marienstickerei. Ein Bild für Zuhause. Es soll mich im Alltag an diesen schönen Sommerurlaub erinnern – und daran, dass Maria auch in meinem Leben eine Bedeutung hat.

Es gilt das gesprochene Wort.