Den Sommer verabschieden fällt unserer Autorin Barbara Manterfeld-Wormit immer schwer. Sie schreibt einen Herbstpsalm – für warme Gedanken in der kalten Jahreszeit.
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Ich mag den Sommer nicht verabschieden. Jedes Jahr geht mir das so, egal wie lang und schön er gewesen ist. Also halte ich ihn fest: weigere mich eine Zeit lang völlig unvernünftig, einen Mantel überzuziehen oder zuhause die Heizung aufzudrehen. Ich schlafe weiter bei weit geöffnetem Fenster, bis sich die Nase kalt anfühlt wie beim Hund und meine Füße eisig sind. Bis es irgendwann nicht mehr geht: spätestens, wenn der September zu Ende ist.
Dann schreibe ich, um ein Stück Sommer aufzuheben für die kalten Monate, die sich nun breit machen. Ich schreibe einen Herbstpsalm. Der geht so: HERR, der Sommer war sehr groß! Ich spüre noch die warme Luft auf meiner Haut. Ein Hauch Rosen- und Lavendelduft hängt noch auf dem Balkon. Der heiße Sand der Ostsee knirscht noch unter den Füßen. In meinen Ohren rauscht das Meer. Leicht waren die Tage und unbeschwert, als die Sonne mich wach kitzelte und nicht der dröhnende Wecker. Bunt hast du, Gott, die Welt gemacht mit deinen Farben und damit das Grau und Schwarz unserer Tage übermalt und alle Lasten leichter gemacht mit der Leichtigkeit des Sommers.
Ich danke dir, Gott, für das Lachen der Kinder sechs lange Wochen lang auf den Straßen und Spielplätzen und in den Schwimmbädern. Ich danke dir für die Zeit, die es gab im Überfluss für Freunde und Familie, Kunst und Kultur, Sport und Bewegung. Ich danke für das Weiten meines Horizonts durch die Ruhe und die langen Sommernächte und durch die Reise an einen anderen Ort.
Hab Dank für den Sternenhimmel über den Bergen, der so viel heller leuchtet als in der Stadt, wo nie die Lichter ausgehen. Für das Läuten der Kuhglocken auf den Almwiesen und den herrlichen Blick vom Gipfel ins Tal. Für die Erschöpfung nach dem Aufstieg und das großartige Gefühl, es geschafft zu haben. Für den erfrischenden Geschmack von Apfelsaftschorle und Speckknödeln, die nirgendwo köstlicher schmecken als nach einer Wanderung auf der Almhütte.
Hab Dank für das Reisen mit leichtem Gepäck und nichts, was uns fehlte. Für neue Gedanken und das Finden, wo ich mich selber verloren hatte. So groß war der Sommer – ich will ihn nicht hergeben. Ich stehe da mit vollen Händen und bitte dich, Gott: Lege einen Funken Sonnenlicht in mein Herz für die dunklen Tage, die kommen. Einen Rest Hitze und Schweiß, wenn es kalt wird und mich draußen fröstelt. Einen Hauch Zuversicht und Unbeschwertheit, wenn ich angespannt und biestig werde und die Sorgen größer an die Wand male, als sie in Wahrheit sind. Die Gastfreundschaft, die ich um Urlaub erlebt habe, lass aufleben an meinem Tisch zuhause. Die Neugierde auf andere Menschen halte wach und die entspannte Freundlichkeit.
So segne, Gott, diesen Sommer. Mach ihn groß in uns.
Es gilt das gesprochene Wort.