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German Man in New York
Caspar David Friedrich-Ausstellung in New York
27.02.2025 06:35

Caspar David Friedrichs Gemälde "Der Wanderer über dem Nebelmeer" ist über den Atlantik gewandert und in New York angekommen. Vielleicht ein Gast, der für Verständigung sorgen kann.

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Meinen morgendlichen Kaffee trinke ich auf den Kreidefelsen auf Rügen. Der Untersetzer ist ein Souvenir aus der Caspar David Friedrich-Ausstellung. Vor einem Jahr um diese Zeit habe ich sie in Hamburg gesehen.

Das große Jubiläumsjahr 2024 zum 250. Geburtstag des Künstlers setzt sich fort: Gerade hat ein weiteres seiner berühmten Gemälde die Reise über den großen Teich angetreten: Der Wanderer über dem Nebelmeer ist in New York angekommen. Dort können ihn jetzt die Besucherinnen und Besucher des Metropolitan Museum bestaunen. 

Das hätte sich Caspar David Friedrich zu Lebzeiten wohl nicht träumen lassen. Er selber starb verarmt – der große Ruhm kam erst posthum. Amerika entdeckt den Greifswalder Maler und deutschen Wanderer erst jetzt: Er steht da ganz oben auf dem Berg mit dem Rücken zum Betrachter. Er sieht ins Tal und auf den Horizont. Gebirge lassen sich erahnen, Himmel und Licht – dazwischen Nebel. Was für eine Symbolkraft – auch jetzt nach den Wahlen – gerade jetzt in dieser in vielerlei Hinsicht ungewissen Zeit in Europa und auch in Amerika. 

Da spricht das Bild Bände: Was der Wanderer denkt, transportiert sich über Sprachgrenzen hinweg, dieses Gefühl: Was für eine mühselige Wanderung ist das gerade und wie wird es weitergehen? Die-se Ahnung: nach dem Berg ist vor dem Berg, aber auch die Hoffnung und Verheißung, die in dem Bild steckt: Irgendwann kommst Du an und siehst überall Licht und Weite. Das ist die Zukunft, wenn auch verborgen. Dieser Moment, den Caspar David Friedrich da festgehalten hat, ist so kostbar: Auf dem Gipfel stehenbleiben, nicht sofort weiterklettern. Innehalten und Atem holen, die Ruhe genießen und den Ausblick, der einem die Sprache verschlägt. Das ist Demut vor Gottes Schöpfung und Weite und dem Leben, das sich da vor einem ausbreitet. 

Mehr von diesem Augenblick des Überblicks da oben – das wünsche ich mir in diesen unübersichtlichen Zeiten. Und den New Yorkerinnen und New Yorkern scheint es da ähnlich zu gehen, denn genau diese Wirkung erzielt der wohl typisch deutsche Wanderer nun auch in Amerikas Metropole, wo vieles ganz anders ist als hier bei uns – erst recht ganz anders als im Deutschland zu Caspar David Friedrichs Zeiten. Etwas verbindet: die Sehnsucht nach einer unbeschädigten Natur, nach Licht und Ausblick, auch die Sehnsucht nach Nähe zum Himmel, nach einer Verbindung mit dem Göttlichen. Ein spirituelles Erleben – so beschreibt es eine junge New Yorkerin nach dem Besuch der Ausstellung. 

Interessanteweise hat der Wanderer kein Gepäck dabei, nur einen Wanderstock. Kein Rucksack, keine Outdoor-Ausrüstung – nichts ist auf dem Bild zu sehen, nur ein einzelner Mensch – mit sich und der Welt verbunden und im Einklang. Das gibt es kaum noch bei uns heute. Darum geht so eine Faszination von diesem Bild aus: ein heiliger Moment in Öl auf Leinwand gebannt. Man fühlt beim Anblick, was die Natur mit dem Menschen macht, der sie betrachtet, sogar wenn man ihn nur von hinten sieht. 

Mir leuchtet die Kritik nicht ein, die in dem Wanderer mit Blick aus heutiger Zeit bereits den kolonialen Eroberer entdeckt. Ich sehe Staunen und Ehrfurcht vor der Natur. Und ich wünsche mir mehr davon in Zeiten des Klimawandels, bitte ja: mehr Demut und Andacht, mehr Achtung und Haltung. Mehr Überblick, aber auch mehr Himmel, Weite und Wege. 

Und dann immer wieder diese Pause zum Staunen und Genießen und Sich-aufgehoben-Fühlen – dem Himmel ganz nahe eben. Was hätte der Maler, der aus Greifswald kam und dessen Heimat die Pommersche Boddenlandschaft war, wohl gesagt angesichts der Freiheitsstatue und Wolkenkratzer New Yorks, wo sein Wanderer aus Deutschland jetzt zu Besuch ist – vielleicht als ein ganz wichtiger Gast, der für Verständigung sorgen kann.  

Es gilt das gesprochene Wort.

 

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