Gnade 2024
von Pfarrerin Barbara Manterfeld-Wormit
11.01.2024 06:20
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Die ersten Tage im neuen Jahr waren bei mir früher eigentlich immer von grundsätzlichem Optimismus geprägt: Alles fängt neu an, alles scheint möglich. Gute Vorsätze sind gefasst, und bislang war ich mir auch sicher, dass ich sie erreichen kann - jedenfalls einen Teil davon.

Heute bin ich vorsichtig, um nicht zu sagen: desillusioniert und manchmal auch deprimiert. Klar, es gibt viele wichtige Ziele, die zu erreichen wären – und zwar das ganze Jahr über. Sie erstrecken sich mittlerweile auf fast jeden Lebensbereich. Mehr und regelmäßig Sport zu treiben, wäre da noch das Einfachste. Aber es steht viel mehr auf der Liste der guten Vorsätze: Da geht es um die richtige Ernährung und eine rundum gesunde und verantwortliche Lebensweise. Es geht um das Erreichen von Klimazielen und gendergerechte Sprache. Ich will niemanden diskriminieren – auch unbewusst nicht. So weit, so gut. Das führt allerdings auch dazu, dass beinahe jede Handlung, jedes Wort, über das ich mir früher keine Gedanken gemacht habe, falsch sein kann: Was ich esse, was ich sage, was ich kaufe, was ich tue, auch, was ich alles nicht sage und tue – alles scheint Konsequenzen zu haben. Und je mehr ich mich damit beschäftige, weil ich die grundsätzlichen Ziele ja richtig und wichtig finde, desto mehr merke ich, wie Fehler behaftet ich bin – schlimmer noch: wie lächerlich meine Fortschritte sind. Von bestimmten Zielen wie beim Klimaschutz steht bereits jetzt schon fest, dass sie verfehlt werden. Das ist nicht nur schlimm für diese Welt, es ist auch schlimm für mich. Es macht etwas mit mir. Ich fühle mich schlecht, manchmal auch schuldig und weiß doch, dass ich aus der Nummer bei allem Bemühen nicht wirklich rauskomme. Ich habe den Eindruck, dass das vielen Menschen so geht. Vielleicht könnte ein Vorsatz für das neue Jahr lauten, gnädiger zu sein. Ich meine damit nicht lascher oder fauler nach dem Motto: Kommt eh nicht drauf an! Nein, es kommt auf uns an. Auf jeden und jede einzelne von uns. Aber: Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe, so lautet die biblische Jahreslosung für 2024. Dazu gehört auch, gnädig mit mir und mit anderen zu sein.       

Es gilt das gesprochene Wort.