Jesus, der Maler Frans Hals und die Kunst des Hinsehens
"Meister des Augenblicks" heißt eine Ausstellung in Berlin über den Maler Frans Hals. Trotz des gedämpften Lichts im Museum kam unsere Autorin Barbara Manterfeld-Wormit mit viel Helligkeit aus der Galerie – und mit einem geschärften Blick.
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Jesus war ein Meister des Augenblicks. So erzählen es die Geschichten in der Bibel. Er traf andere Menschen und erfasste sofort, wer sie waren, und reagierte - und zwar passgenau: Er sah den Zöllner Zachäus auf einem Baum, begriff, dass hinter dem großen Halsabschneider vor allem eines steckte: eine große Einsamkeit. Also lud er sich selber bei ihm ein und brachte andere mit. Die Einladung veränderte Zachäus‘ Leben. Jesus konnte sehen, was andere übersahen. Er hörte Dinge, ehe sie ausgesprochen waren. Er spürte Sorgen und Lasten - und griff ein. Er war ein Meister des Augenblicks. Genau so haben ihn Menschen genannt, die ihm nachfolgten: Rabbuni, Meister! Weil er all das konnte.
"Meister des Augenblicks", so lautet der Titel einer Ausstellung von Bildern des holländischen Malers Frans Hals - Frans mit s. Bis November ist sie in der Berliner Gemäldegalerie zu sehen. Düster waren die Zeiten wohl damals: Es gab Armut und Krankheit, düstere Gassen, enge Häuser, wenig Licht. Frans Hals malt Porträts von den Reichen und Einflussreichen seiner Zeit. Es entstehen Bilder von eleganten Geschäftsmännern und deren Familien und daneben auch von ganz einfachen Leuten: spielende Kinder, Männer und Frauen auf dem Markt und in den Wirts- und Armenhäusern, Menschen, die den damaligen Konventionen nicht entsprachen und mit Spott überzogen wurden.
Die Bilder von Frans Hals sind besonders: Er malt den Glanz in den Augen der Menschen, er bringt ihr Lachen auf die Leinwand. Er sieht die Geschichten hinter den Menschen und erfasst den Moment einer Bewegung, einer Geste, eines Blicks. Ich verlasse die Ausstellung und habe trotz des gedämpften Lichts in der Galerie doch ganz viel Helligkeit und Fröhlichkeit, auch Zuversicht getankt. Eine Kunst, auf die es heute wieder ankommt: Meisterin des Augenblicks zu sein. Den Moment erfassen, das Licht im anderen Gesicht, achtsam sein für die Geschichte dahinter.
Biblische Motive waren wohl nicht so ganz Sache des Künstlers Frans Hals. Nur zwei Bilder von Evangelisten sind in der Ausstellung zu sehen: Sie fallen gegenüber den anderen ab, so als habe der Maler sich zu etwas zwingen müssen, was ihm nicht wirklich entsprochen hat. Das Herz von Frans Hals schlug offensichtlich woanders: bei den Menschen seiner Zeit, mit denen er gelebt und die er wahrgenommen hat wie kaum ein anderer.
Meister des Augenblicks – so heißt also die Ausstellung in Berlin. Zu Recht und genau zur richtigen Zeit: Es fühlen sich gerade viele nicht richtig gesehen. Wir drohen uns aus dem Blick zu verlieren bei strittigen Themen und Meinungen. Zeit für ein Lächeln, so wie Frans Hals es auf seinen Bildern eingefangen hat: ein echtes, das von Herzen kommt.
Es gilt das gesprochene Wort.