Selbstoptimierung

Selbstoptimierung
Pfarrer i.R. Alfred Buß
14.01.2017 - 23:35
21.12.2016
Alfred Buß

Ja, ich habe auch eins. Das I-Phone gibt’s nun seit genau zehn Jahren. Längst lotst es mich überall hin, macht Fotos, zeigt mir Bus- und Bahnverbindungen oder - wie’s aktuell im Stadion steht. Immer hab’ ich ein ganzes Lexikon dabei, sogar die Bibel und vieles mehr. Eine intelligente Erfindung ist das, zweifellos - hilfreich im Alltag.

Und das soll längst nicht alles sein. Im Silicon Valley, dem ultimativen Innovationszentrum der Erde, will man mit jedem neuen Produkt die Welt revolutionieren, so auch damals mit dem I-phone.

Wer ins Silicon Valley zieht – im Süden von San Franzisco -, der will die Welt verbessern. Die meisten sind jung, männlich, kommen von der Eliteuniversität und haben richtig gute Ideen. Für deren Umsetzung brauchen sie eine Menge Geld. Und wer ihnen Geld gibt, verbindet das mit klaren Erwartungen: Fünfhundertfach größer sollen sie ihre Idee denken - und die eigene Persönlichkeit mit dazu. Nach dem Unmöglichen sollen sie streben, denn das Menschenmögliche ist ja schon da.

Die jungen Forscher tun alles, dem zu genügen: Rund um die Uhr an Lösungen tüfteln, sich optimal ernähren, bewegen, weiterbilden. Das Leistungsprinzip übertragen sie auf ihr ganzes Sein – mit fast religiösem Eifer. Hätte das Silicon Valley ein Glaubensbekenntnis, so könnte es lauten: „Ich gehe über alle Grenzen hinweg, optimiere mein start-up - und mich selbst.“ Ihr Leben findet fast nur im Labor statt. Lösungsfindung und Selbststeigerung sind der Weg zum Erfolg. „Mönche der Arbeit“ hat das mal jemand genannt.

So auch der echte Mönch Luther vor 500 Jahren. Er will sich besser machen, so richtig gut. Will Gottes Ansprüchen genügen. Sieht ihn als fordernden und strafenden Gott. Versucht, Gott wohlgefällig zu leben - im Wachen, Fasten, Beten, Studieren, auf nacktem Fußboden schlafen. Geht über alle Grenzen hinweg, will seine Pflichten als Mönch mehr als hundertprozentig erfüllen und seine Persönlichkeit steigern dazu. Und merkt nach Jahren der Qual: Ich kann mich nicht selber perfekt machen. Alles aus sich herausholen ist eine Schraube ohne Ende. Die führt nicht in die Freiheit, sondern in die Selbstversklavung.

Und was führt in die Freiheit? Gottvertrauen. Endlich fällt es dem Mönch Martin wie Schuppen von den Augen: Nicht mit Erwartungen und Ansprüchen kommt Gott auf mich zu, sondern mit offenen Armen. Gott wurde Mensch. In Christus kommt Gott mir selber entgegen. Ihm ist nichts Menschliches fremd. Alles kann ich ihm anvertrauen. Auch meine Versagensängste und meine Aufschneiderei. Gott muss ich nichts vormachen, kann ich gar nicht - bei ihm darf ich sein.

Sie werden das kennen: Wo Vertrauen herrscht, werden andere Geschichten erzählt. Nicht nur die von Erfolgen und Auszeichnungen, auch die von Fehlschlägen und Flops. Mit erlösendem Lachen. Ja, wo Vertrauen herrscht, wird gelacht. Und Lachen fördert die Kreativität. Hoffentlich auch im Silicon Valley.

21.12.2016
Alfred Buß