Unbequeme Wahrheiten

Unbequeme Wahrheiten
Pastor Christian Rommert
12.03.2016 - 23:35

Eine Meldung hat mich diese Woche wütend gemacht. Ein Pfarrer setzt sich für Flüchtlinge ein und bekommt Morddrohungen. Letzten Sonntag hat er nun seinen Abschied aus seiner Gemeinde verkündet. Seine Gegner glaubten wohl, dass damit im Dorf das Problem mit den Flüchtlingen aus der Welt ist, wenn man den Pfarrer rausmobbt. Natürlich nicht. Gesiegt haben hier nur die Angst und die scheinbar einfachen Lösungen. Mich regt sowas richtig auf.

 

Ich hatte dann auch erstmal die Nase voll. Die ständigen Hasskommentare auf Nachrichtenseiten und die ekligen Parolen. Ich war es satt! Also habe ich Facebook abgeschaltet. Zumindest für einige Tage. Das habe ich dann „Facebook fasten“ genannt. Tatsächlich ging es mir schnell besser. Kurzzeitig hat es mir richtig gutgetan, die Probleme auszublenden und wegzuschauen. Ich habe gemerkt, wie verführerisch die scheinbar einfachen Lösungen sind.

 

Ich hatte mindestens zwei schlechte Vorbilder dabei, denn ich habe es einfach so gemacht wie zwei Männer aus einer Geschichte, die einen am Straßenrand Liegenden in Not sahen und … weitergingen. Kurz hinschauten und ... weitergingen. Auf einem gefährlichen Abschnitt des Weges war der Mensch zusammengeschlagen und ausgeraubt wurden. Und die Beiden gehen an ihm vorbei. Erst der Eine und dann der Andere. Schauen weg. Wie ich mit meinem super klingenden Versuch, Facebook zu fasten. Da wollte ich das Elend auf dem Computerbildschirm nicht mehr sehen.

 

Die Geschichte von der Straße, die Jesus im Neuen Testament erzählt, geht aber noch weiter. Es kommt ein dritter Mensch ins Spiel.  Er bleibt stehen und schaut nicht weg. Er hilft. Er tut das Naheliegende. Er versorgt den kranken Menschen und bringt ihn an einen sicheren Ort. Er folgt seinem Mitgefühl! Naheliegend oder doch besonders?

 

Kann diese Geschichte auch für unser Handeln Maßstab sein? Wir sprechen ja nicht von einem Einzelnen, der Hilfe braucht. Wir, wir sprechen von der Not von Millionen von Menschen. Muss da nicht irgendwann Schluss sein? Wieviel Mitgefühl können wir uns leisten? Haben die Zweifler und Besorgten vielleicht doch recht? Also doch: lieber

wegschauen? Grenzen zu, Probleme draußen lassen. Morddrohungen versenden und die unbequeme Menschen rausekeln. Eine scheinbar klare einfache Lösung. Jedoch ohne Mitgefühl und getrieben von Angst.

 

Einfache Lösungen sind sehr anziehend. Auch für mich. Es ist unangenehm auch für mich, die komplizierte Lage auszuhalten. Dass wir an vielen Punkte noch keine gute Lösung haben. Aber mein Mitgefühl irgendwann abschalten? Nein! Wegschauen und weitergehen? Nein! Das Mitgefühl der Angst opfern - alles scheinbar ganz einfach - aber: nochmals „Nein“. Und ja, das nicht einfach: Mitgefühl erzeugt Probleme. So war es schon bei dem Helfer in der Geschichte. Aber dieser Helfer ist der einzige, der von Jesus als Vorbild hingestellt wird. Wenn wir diesem Vorbild folgen, dann scheiden die scheinbar einfachen Lösungen wie Wegschauen und Ausgrenzen aus. Wir dürfen nicht der Angst folgen und einfachen Parolen, sondern den differenzierten Argumenten und dem Mut zum Mitgefühl.