"Ich werde nicht sterben, sondern leben" (Psalm 118,17). Übermütig klingt dieser Satz. Und doch erinnere ich mich an Situationen, da hat er mir unmittelbar eingeleuchtet. Wenn die ärztliche Diagnose mit einem Federstrich alle Todesangst wegwischt. "Ich werde nicht sterben". "Ich bin dem Tod noch mal von der Schippe gesprungen", sagt der Volksmund. "Gott hat mir Zeit geschenkt. Befristete Zeit." "Ich werde nicht sterben" das heißt "Ich werde noch nicht sterben."
"Ich werde nicht sterben." Das kann auch heißen: "Ich werde nicht mehr sterben." Das allerdings kann nur Einer sagen. Nur der, der den Tod schon hinter sich hat. Jesus. Besonders zwischen Ostern und Pfingsten erinnern die Kirchen daran.
Aus Lebensgefahr ist Jesus nicht errettet worden. Da ist es ihm ergangen wie Millionen anderer. Seine Bitte um Verschonung ist nicht erhört worden. Aber ihn hat Gott nicht im Tod gelassen. Und darum hat er den Tod schon hinter sich.
Und davon profitiere auch ich. Ich werde sterben. Ich weiß noch nicht wie. Aber der eine, der den Tod hinter sich hat, macht mir Hoffnung. Der sagt nämlich noch mehr: "Ich lebe und ihr sollt auch leben" (Johannes 14,9). Darauf verlasse ich mich.
Er gibt mir zwar nichts in die Hand. Aber er gibt mir was ins Ohr. Sein Treueversprechen. Auch im Tod lässt der Lebendige, der den Tod schon hinter sich hat, mich nicht im Stich. Dem traue ich. Dieses Versprechen geht mir bis ins Herz. Manchmal besiegt es meine Zweifel. Manchmal schenkt es mir Gelassenheit. Manchmal Mut. Und von Zeit zu Zeit sogar ein Quäntchen Übermut.
Der englische Komponist Edward Elgar hat über solche Menschen ein grandioses Oratorium komponiert. "The Kingdom", "Das Reich Gottes". Am Pfingstmontag wird es in der Kölner Philharmonie erklingen. Es erzählt von Menschen mit Gelassenheit und Mut. Und manchmal auch mit einem Schuss Übermut. Sie lassen sich nicht mundtot machen. Diese Menschen. Auch wenn sie verfolgt und ins Gefängnis gesteckt werden. Sie alle haben den Tod noch vor sich. Aber sie sind inspiriert von dem einen. Der den Tod hinter sich hat und lebt.
Und der will auch im Leben jenseits des Todes nicht ohne Menschen sein. Der ist auf der Suche nach denen, die ihr Leben mit ihm teilen wollen. Nicht nur im Jenseits. Schon hier und heute. Verbündet mit ihm, dem Lebendigen. Es gibt ein Leben vor dem Tod. Das ist mir wichtig. Und es stimmt: heute ist der erste Tag vom Rest meines Lebens.