Guten Abend, meine Damen und Herren!
Meine Großeltern gehören zu der Generation, die nicht still sitzen können. Selbst wenn alles Notwendige im Haushalt getan war, suchten sie sich neue Aufgaben. Ist der Rasen gemäht, wird der Farbtopf raus geholt, um die Gartenstühle zu streichen. Ist der Kuchen gebacken, wird das Rosenbeet gejätet. Sie konnten nicht nichts tun. So etwas wie „seinen Gedanken nachzuhängen“ oder „die Seele baumeln zu lassen“, kannten sie nicht. Sie haben’s auch niemals gelernt, keiner hat es ihnen vorgelebt. „Ohne Fleiß kein Preis“ - so haben sie es dann auch der nachfolgenden Generation weiter gegeben: Und auch: „Ohne Leistung keine Zuwendung, keine Liebe“.
Merkwürdigerweise waren meine Großeltern zu mir als Enkel ganz anders. Da haben sie ihre Liebe und Zuneigung mit beiden Händen über mich ausgeschüttet, ohne dass ich mir das vorher verdienen musste. Und doch habe auch ich das wohl ein Stück weit mitbekommen: „Ohne Leistung keine Liebe“ - „Ohne Fleiß kein Preis“. Ich habe Hummeln im Hintern – eigentlich doch positiv - aber mir fällt es sehr, sehr schwer, auch mal einfach nur da zu sein und keine Leistung zu bringen.
In der biblischen Geschichte von Jesus mit den beiden Schwestern Maria und Martha, gehöre ich zum Team Martha. Die sorgt nämlich dafür, dass das Setting stimmt. Räumt rum, macht Essen. Und so bin ich auch. Wenn Jesus an meiner Wohnungstür klingeln würde, würde ich mich erst einmal dafür entschuldigen, dass es so unaufgeräumt ist – obwohl es gar nicht so schlimm ist. Aber das machen wir Marthas so. „Komm‘ doch rein. Schau nicht so genau hin. Ich mach‘ uns erst‘mal einen Kaffee, ja? Setz‘ dich doch einfach auf’s Sofa. Nee, warte, ich mach noch schnell die Bügelwäsche weg. Und den alten Blumenstrauß entsorge ich auch gleich mit. Zum Glück habe ich noch ein paar Kekse und die Mango kann ich ja noch schnell aufschneiden. (atemlos) Was hat Jesus zur arbeitssamen Martha gesagt? Was würde Jesus mir heute entsprechend sagen?
„Alexander (Pause), Alexander, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist not. Freue Dich doch einfach, dass ich da bin, Du da bist und höre mir zu.“
Puh. Wenn man quasi mit der Muttermilch eingesogen hat, dass man etwas wert ist, wenn man etwas leistet, dann kann man das nicht einfach so abschütteln. Ich merke das bei mir selbst. Und ich kann vor allem jetzt die Menschen verstehen, die mich häufig als Seelsorger fragen, wenn sie krank oder alt sind: „Wozu bin ich eigentlich gut? Wozu bin ich eigentlich noch da?“ Und es hilft nicht, wenn ihre Angehörigen sagen, wie doll sie sie lieb haben. Und wie wichtig es ist, dass es sie noch gibt, weil sie mit ihrer puren Existenz eine Konstante im Leben der Jüngeren sind. Es hilft nicht. Sie fühlen sich weiterhin schlecht und überflüssig. Was aber hilft? Maria hat einfach gesessen und Jesus zugehört. Hat gehört, wie die große Lebensmacht Gott uns Menschen bedingungslos liebt. Liebt ohne Fleiß und ohne Preis. Und ich?
Ich liebe es zu arbeiten, aber ich weiß auch: eins ist not: Ich möchte lernen, mich ohne Arbeiten zu lieben.
Ich wünsche Ihnen eine ruhige Nacht.
Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)
Redaktion: Ulrike Bieritz