Nach der Tragödie von Magdeburg wird vielen in diesem Jahr das weihnachtliche "O du fröhliche" im Hals stecken bleiben. Können wir es trotzdem noch singen, angesichts des Entsetzens, der Trauer und der zerstörten Lebensfreude? Ist es nur naiv, zynisch oder doch irgendwie möglich? Und ist unsre Welt überhaupt noch zu retten? Gedanken dazu im Wort zum Sonntag mit Lissy Eichert aus Berlin.
Samstags ab 17:00 Uhr können Sie an dieser Stelle den Sendetext nachlesen.
Guten Abend.
Nach gestern Abend wird vielen in diesem Jahr das weihnachtliche "O du fröhliche" im Hals stecken bleiben. Mir auch, wenn ich mir vorstelle, dass es auch irgendwo auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg gesungen wurde, als die Tragödie geschah… Der fröhliche Tagesausklang mit der Familie oder mit Kollegen, die Vorfreude auf das Fest - brutal zerstört. Es ist einfach nur furchtbar!
Wie umgehen mit diesem Terror und Leid?
Tatsächlich habe ich mich in diesem Advent mit dem Lied "O du fröhliche" und seinem Hintergrund beschäftigt. Und dabei etwas Überraschendes festgestellt. Denn der Text und das Lied entstanden in schlimmer Zeit, 1816 in Weimar. Hunger, Elend, Trümmer - Folgen der napoleonischen Kriege.
"Welt ging verloren", heißt es in der ersten Strophe. Auch für den Texter des Liedes Johannes Daniel Falk: Innerhalb eines Jahres starben vier seiner Kinder an Typhus. Eine persönliche Katastrophe! Da kann man nicht einfach sagen: Leben geht weiter.
Doch für Johannes Daniel Falk war die Weihnachtsgeschichte kein frommes Märchen. "Christ ist geboren". Die Geschichte von der Menschwerdung Gottes sprach ihn an und er handelte: Zusammen mit seiner Frau Carolin gründete er ein Rettungshaus für Kriegswaisenkinder, die verloren durch die Straßen Weimars irrten. In diesen Kindern sahen sie das göttliche Kind.
Gegen alles Leid, als großes Trotzdem, schrieb er: "O du fröhliche". Gab den Kindern dieses Lied mit auf ihren Lebensweg, um sie stark zu machen.
Das so schwache und zerbrechliche Jesuskind im armseligen Stall muss ein vertrautes Bild für die Waisenkinder gewesen sein. Ein Zeichen voller Solidarität. Und voll Hoffnung, denn dieses Kind in der Krippe hat in seinem Leben später Großes bewirkt.
Ja, unsre Welt geht an vielen Stellen kaputt. Aber Rettung, Erlösung ist möglich.
Entsetzen, Trauer, Angst, auch Zorn, in Magdeburg wie überall, wo Menschen zerstörerischer Gewalt ausgeliefert sind. Und gleichzeitig auch heute: So viele Menschen, die tatkräftig helfen. Der Einsatz der Rettungskräfte, der Trost und Beistand von Freundinnen und Nachbarn, aber auch von wildfremden Menschen! Diese Bilder geben mir Halt. Neben all dem Schrecklichen, ist auch so viel Liebe und Beistand in Welt!
Ich bin überzeugt: Diese solidarische Liebe hat die Kraft, die Welt zu heilen. Und sie wirkt Spaltungen entgegen. Zu allen Zeiten lässt die Geburt eines Kindes uns daran glauben, dass Gott an unserer Welt noch nicht verzweifelt ist. Machen wir es wie das Ehepaar Falk: Teilen wir unsere Liebe und Tatkraft mit anderen! Dass wir der Angst nicht das Feld überlassen. Damit Menschen wieder singen können "O Du Fröhliche, o du Selige".
Kommen Sie gut durch die Nacht.
Es gilt das gesprochene Wort.
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Redaktion: Ulrike Bieritz
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