Wiederholt sich alles in der Geschichte der Menschheit? Kriege und Katastrophen – schrecklich in sich, aber alles schon mal dagewesen? Unser Autor prüft, ob die biblische Weisheit "Nichts Neues unter der Sonne" noch stimmt.
Sendung zum Nachlesen:
"Es geschieht nichts Neues unter der Sonne." (Prediger 1,9) So philosophiert der Prediger Salo-mo in den Weisheitsbüchern der Bibel. Ist das wirklich so? Kann man das heute immer noch sa-gen, dass es nichts Neues gibt und sich alles wiederholt?
Rückblickend mag das stimmen. Schaut man auf die Geschichte der Menschheit, so gibt es diese Wellenbewegung aus guten und schlechten Zeiten. Imperien stiegen auf und zerfielen. Aber die Strukturen blieben gleich, zumindest vergleichbar. Manche entdecken Parallelen zwischen der Krise der westlichen Demokratien heute und dem Untergang des Römischen Reiches.
Der Prediger Salomo in der Bibel schaut auf die Natur und sieht: Die Sonne geht auf und geht unter. Der Wind geht nach Süden und dreht sich nach Norden und wiederum herum an den Ort, wo er anfing. Alle Wasser laufen ins Meer, doch wird das Meer nicht voller; an den Ort, dahin sie fließen, fließen sie immer wieder. (Prediger 1,5-7)
Die Beobachtung des immer Gleichen in der Natur vermittelt Verlässlichkeit. Wenn ich das auf das Weltgeschehen übertrage, kann das beruhigen – oder verstören. Alles war schon mal da. Das Fazit des Predigers Salomo: "Ein Geschlecht vergeht, das andere kommt; die Erde aber bleibt immer bestehen." (Prediger 1,4)
Wirklich? Gilt das noch immer? Auf einem Wochenendseminar sind wir dieser Frage nachgegan-gen. Und wir haben vier Bereiche ausgemacht, die uns daran zweifeln lassen, dass die alte Weisheit nach wie vor gilt.
Ganz offensichtlich ist das damals schlüssige Bild von der ewigen Wiederkehr der Naturereignis-se so nicht mehr haltbar. Das Klima ändert sich in einer Weise, die es vorher nicht gab. Die Dür-ren und Überschwemmungen, die Tornados und das Artensterben sind gravierend. "Nichts Neues unter der Sonne"? Vielleicht nicht das einzelne Phänomen, aber die Häufigkeit und Heftigkeit.
Auch auf anderen Gebieten gibt es einen Paradigmenwechsel. Mit der wachsenden Weltbevölke-rung ist es eng geworden auf unserem Planeten. Vor allem für die Tiere, Pflanzen und Biotope, die neben uns existieren wollen. Je mehr Menschen wir sind, desto mehr Ressourcen verbrau-chen wir. Und wir alle wollen möglichst gut leben.
Der dritte Bereich, auf den wir bei dem Seminar geschaut haben, ist die Entdeckung und Nut-zung der Kernenergie. Sie setzt Kräfte frei, die unsere Lebens- und Planungszeit übersteigen. Der radioaktive Müll bleibt ein Problem für Generationen. Noch beunruhigender sind die wach-senden Kernwaffenarsenale. Für den Weltuntergang genügt es, dass zwei Atommächte Krieg führen und man nimmt für die Vernichtung des Gegners den eigenen Untergang in Kauf.
Am intensivsten haben wir darüber gesprochen, wie die Künstliche Intelligenz unsere Welt ver-ändert. Es blieb ein Stochern im Nebel. Niemand von uns ist tief in der Thematik beheimatet. Aber schon die Zeitungslektüre und die Selbstbeobachtung ließen uns ahnen, welch nie dagewe-sene Chancen und Gefahren auf uns zukommen.
Während wir diskutierten, haben wir immer wieder zum Handy gegriffen, um uns kundig zu ma-chen. Wir nutzen und schätzen Möglichkeiten, die bis vor kurzem noch unvorstellbar waren. Gleichzeitig ahnen wir, wie die Algorithmen unserer eigenen Ängste am Ende die Entscheidungen der KI steuern werden.
Viel Neues unter der Sonne also. Wir aber bleiben erstaunlich gleich in unseren Ängsten. Doch sind wir ja nicht nur angstgesteuert. Wir sind auch mitfühlend und verantwortungsbewusst. Auch damit beeinflussen wir den Lauf der Geschichte.
Und genau darin sehe ich die Herausforderung für dieses neue Jahr: Was will ich befördern und welcher Entwicklung muss ich mich verweigern? Und wo gilt der Satz des weisen Salomo trotz allen Wandels nach wie vor? "Es geschieht nichts Neues unter der Sonne!"
Es gilt das gesprochene Wort.
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