Istanbul gehört zu den Städten, die im Lauf der Geschichte verschiedene Namen bekamen. Die Umbenennungen spiegeln Machtverhältnisse. Sie sind oft ein Indiz dafür, welche Religion das Sagen hat.
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Istanbul hieß einmal Byzanz, dann Konstantinopel. Seit 1930 trägt die Stadt offiziell ihren heutigen Namen. Viele Orte auf der Landkarte haben diverse Namensänderungen erfahren. Die Namen spiegeln Machtverhältnisse. Sie sollen Identität stiften.
Kaliningrad hieß über Jahrhunderte hinweg Königsberg und war das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum Ostpreußens. Jetzt gehört die Stadt zu einer russischen Exklave. Rangun kannte ich als die Hauptstadt von Burma. Heute heißt sie Yangon, und das Land nennt sich inzwischen Myanmar. Neue Machtverhältnisse und eine Distanzierung von der Namensgebung durch die Kolonialzeit führten zu neuen Benennungen.
Spannend ist es, wie sich solche Kulturübergänge in den Städten am Ende widerspiegeln. Zunächst werden die Bruchstellen als schmerzhaft empfunden und gern übertüncht. Das Alte muss unkenntlich gemacht werden, um mit dem Neuen nicht länger zu konkurrieren. Doch je selbstbewusster und eigenständiger die neue Kultur sich formuliert, umso mehr Raum ist dann auch da, das Alte zu würdigen und wertzuschätzen.
Nach dem Ende der Sowjetunion gab es eine Zeit, in der der Name Königsberg nicht mehr verpönt war, sondern selbstbewusst dem neuen Namen Kaliningrad hinzugefügt wurde. Man sah in Immanuel Kant einen europäischen Philosophen, den man stolz als den berühmtesten Bürger der Stadt präsentierte.
Zurück nach Istanbul! Das Byzanz der Frühzeit wurde zu Konstantinopel, zur Hauptstadt West-Roms. Hier hat die Orthodoxie ihren Ausgangspunkt und ist im Gedächtnis dieser Kirche noch immer lebendig. Die Hagia Sophia war einmal die zentrale Kirche der Christenheit.
Nach der osmanischen Eroberung Konstantinopels wurde die Hagia Sophia zur Moschee umgewidmet. Es war ein Zeichen gewachsener Souveränität, als Kemal Atatürk 1934 die Hagia Sophia zu einem Museum umwandelte. Er stellte es den Menschen frei, mit welcher Religion sie dieses Gebäude verbanden. Um Eifersüchteleien zu unterbinden, waren kultische Handlungen in diesem Haus verboten. Eine weise Entscheidung – die der heutige Präsident der Türkei Erdoğan 2020 aufgehoben hat. Er machte die Hagia Sophia wieder zur Moschee. Ein Schritt zurück in die Abgrenzung. Schade.