Jona, Prophet in der Bibel, ist frustriert: Ausgerechnet die Leute, die er für unverbesserlich böse gehalten hat, ändern sich zum Guten. Wie sehr braucht man Feindbilder, um sich selbst gut zu fühlen?
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Ninive liegt im heutigen Irak am Ufer des Tigris. Die ältesten Siedlungsreste befinden sich im Stadtgebiet von Mossul. Was an Funden sorgsam geborgen wurde, haben die Fanatiker des Islamischen Staates nach der Einnahme von Mossul zum Teil mit Presslufthämmern zerstört. Anderes wurde auf dem internationalen Schwarzmarkt für archäologische Kostbarkeiten verscherbelt.
In der Bibel ist Ninive eine Mega-City. Ninive hatte einen schlechten Ruf. Diese Stadt wurde zum Synonym für den sittlichen Verfall einer Metropole. Ninive stand aber auch als Symbol für jene Großmächte, unter deren Vorherrschaft das biblische Israel zu leiden hatte.
So vermischten sich moralische Verachtung mit der demütigenden Realität, unter der Menschen zu leiden hatten. Ein Mechanismus, der aus Konflikten bis heute nur zu bekannt ist. Wir sind die Guten, die anderen sind die Bösen. Ihre Vernichtung sichert unser Überleben.
Vor diesem Hintergrund bekommt der Prophet Jona von Gott den Auftrag, nach Ninive zu gehen und den Leuten Umkehr zu predigen. Eine Zumutung. Jonas Urteil über die Stadt steht doch fest. Jona ist nicht bereit, über die Zukunft von Ninive nachzudenken.
Statt durch die Wüste nach Ninive geht er auf ein Schiff in entgegengesetzter Richtung. Nur weg, nicht mit ihm. Doch Gott entlässt ihn nicht aus seinem Auftrag. Er bringt ihn dazu, die Reise anzutreten und Ninive Umkehr zu predigen.
Das Unwahrscheinliche passiert. Der König und alle Bewohnerinnen und Bewohner von Ninive tun Buße. Sie hüllen sich in Sack und Asche und ändern ihr Leben. Die Mission war erfolgreich, und Jona ist deprimiert. Am liebsten will er sterben. Sein Feindbild ist zerbrochen. Wenn man so ausschließlich aus der Konfrontation heraus gelebt hat, dann geht man selbst zu Bruch.
Eine Erzählung aus ganz früher Zeit, die es in sich hat. Wie sehr brauchen wir eine Stadt Ninive, um uns selber gut zu fühlen? Wie nötig haben wir den bösen Nachbarn, damit wir die Guten sind?
Wenn der Feind sich seiner Rolle verweigert, kommt ein ganzes System ins Wanken. Jona reagiert sauer. Es passt ihm nicht, dass nun auch er in neuen Kategorien denken muss. Es ist eine große Gefahr, sich in diesem Freund-Feind-Schema einzurichten. Man definiert sich irgendwann nur noch aus seinem Gegenüber und braucht den bösen Feind, um sich selbst als gut anzusehen. Was für die Gegenseite übrigens in gleicher Weise gilt.