Morgenandacht
Gemeinfrei via Unsplash/ Matt Hardy
Jona soll beten
Morgenandacht von Pfarrer Eberhard Hadem
18.07.2023 06:35

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Die Sendung zum Nachlesen: 

Die ganze Jona-Geschichte in der Bibel ist ziemlich übertrieben. Als wäre das Drehbuch fürs Kabarett geschrieben: Jona als Parodie des Menschlichen. Das Große ist allzu groß, das Kleine ist allzu klein, die einen allzu edel, die andern allzu böse. 120.000 Einwohner soll Ninive gehabt haben – von ganz ferne muss die Stadt riesengroß erscheinen. Und die Bosheit der Menschen entsprechend noch größer!

Jona will da nicht hin – obwohl Gott ihn schickt. Jona soll gegen die Bosheit predigen. Vielleicht für Umkehr sorgen. Aber Jona will die Stadt nicht retten. Also flieht er, steigt in ein Schiff und will weit weg. Und dann ist es Jona, der Rettung nötig hat. 

Die Seeleute auf diesem Schiff und ihr Kapitän – sie sind nicht so wie die Menschen in Ninive. Sie sind überhaupt keine rauen Gesellen des Meeres, sondern edle Mitmenschen, allzu edel gegenüber ihrem seltsamen Gast tief unten im Schiff, den sie noch zu retten versuchen.

Ganz anders das Verhalten des Hauptdarstellers, das ihn wirklich sehr klein macht. Das fällt besonders auf, wenn man seinen Namen bedenkt: Jona heißt übersetzt ‚die Taube‘. Aber als das Unwetter über Meer und Schiff zieht, da verkriecht sich Jona im Schiff ganz unten. Die ‚Taube‘ ist flügellahm.  

Alle fürchten sich und schreien und beten, jeder zu seinem Gott. Nur Jona nicht. Er schläft im Bauch des Schiffes, bis der Kapitän ihn sucht und anschnauzt: Was schläfst du? Steh auf, rufe deinen Gott an! Vielleicht wird dieser Gott an uns gedenken, dass wir nicht verderben.

Die Jona-Geschichte hält mir einen Spiegel vor – auch wenn mir die Erde, auf der ich lebe, noch nicht ganz so schwankend vorkommt wie die Schiffsplanken, auf denen sich Jona und die Seeleute befinden. Aber fester Boden fühlt sich anders an. Auf der ganzen Welt finden Kriege statt, der Krieg in der Ukraine rückt uns im Westen Europas bedrohlich nahe. Dazu der fehlende Regen, regionale Hitze und Dürre, der Klimawechsel. Reale Herausforderungen, jetzt zu handeln. Als Folge die Inflation, auch die alltäglichen Dinge werden teurer. Neue Ängste, andere Nöte. Manche kämpfen jeden Tag dagegen an.

Da finde ich die Seeleute vorbildlich: Sie schaffen und machen und kämpfen – und gleichzeitig betet jeder von ihnen zu seinem Gott. Sie versuchen miteinander das Beste aus der Situation zu machen. Und dazu gehört eben auch das Beten zum je eigenen Gott. Die Frage, welche Religion die wahre Religion ist, trennt sie nicht. Sie arbeiten nebeneinander, sie beten nebeneinander. Es ist das erste multireligiöse Gebet in der Bibel.

Das ist bewundernswert, denn multireligiös zu beten ist nicht selbstverständlich. Es ist ja so: Ich halte meinen Glauben für absolut. Sonst wäre er ja auch belanglos, wäre ich nicht von Herzen von meinem Glauben überzeugt. Doch ich respektiere, lieber Nachbar, liebe Mitbürgerinnen anderen Glaubens, dass dein Glaube, deine Religion für dich genauso absolut ist.

Multireligiös beten heißt: Wir könnten gemeinsam dafür Sorge tragen, dass öffentlich sichtbar wird: Du betest neben mir, wie ich es neben dir tue. Ich höre respektvoll zu, wenn du zu deinem Gott betest. Und ich bitte dich um denselben Respekt, wenn ich zu meinem Gott bete. Was für ein friedenstiftendes Zeichen könnte das sein in unserer Gesellschaft, dort, wo wir zuhause sind?

An der Jona-Geschichte sehe ich: Manchmal ist es nötig, dass jemand von außen mich frommen Menschen erinnern muss – so wie der Schiffskapitän den Jona: Rufe deinen Gott an (…) dass wir nicht verderben.

Es gilt das gesprochene Wort.