Feedback zur Sendung? Hier geht's zur Umfrage!
Sendung nachlesen:
Das neue Jahr 2022 ist kaum 9 Tage alt. Es ist noch frisch und unverbraucht. Was wird es bringen?
Welche Feste werden wir feiern können? Wie viele schöne Augenblicke werde ich erleben?
Welche Sorgen werden neu auf mir lasten? Und wie oft werde ich befreit aufatmen?
In den letzten Tagen ging mir öfter ein Gedicht von Wilhelm Busch durch den Kopf.
Will das Glück nach seinem Sinn dir was Gutes schenken,
sage Dank und nimm es hin ohne viel Bedenken.
Ich finde: Das kleine Gedicht hat etwas Unbeschwertes. Ich wünsche mir viele solche Momente in diesem Jahr.
Du sitzt einfach da und machst gar nichts,
genießt die Sonne und die Menschen um dich herum.
Auch die Kinder und die Hunde haben gute Laune
nach nasskalten Tagen mit Windgebrumm.
Ein Fischkutter kreuzt in der Ferne die Bahn
wie die Vögel am weiten Horizont.
Du schließt die Augen, hörst die Möwen schrei’n,
die Wellen murmeln - und der Alltag wird klein.
Situationen, in denen der Alltag klein wird und der Horizont weit, wünsche ich mir.
Und davon viele in diesem Jahr: Im Winter noch einmal Eisschollen am Meer erleben – und die Wärme der Kerzen zuhause. Im Frühling zuschauen, wie die Schneeglöckchen aus der Erde lugen,
wie auf einmal alles aufblüht – und die Luft dich nach draußen zieht.
Im Sommer barfuß durch die Sonne gehn – im Gras oder am Strand liegen und träumen. Und im Herbst die Farbenpracht der Blätter genießen, den Vögelschwärmen nachschauen und wie verklärtes Sonnenlicht die Zeit noch einmal golden malt.
Momente, die kostbar sind…
Aber ich fürchte natürlich auch:
Es mischen sich in solche Situationen immer wieder Dinge, die ich gar nicht sehen will:
Kilometerweit gehst du am Strand entlang -
nur Sand und Meer
und die Weite um dich herum.
Wunderbar –
wenn nicht diese Mikro-Plastik-Teilchen da stör‘n:
Millionenfach wirbeln sie herum
am Strand und im Meer -
die halten jahrhundertelang.
Tier und Mensch und der Zukunft
geht die Puste aus.
Du sagst: Das ist Irrsinn –
und: Wie kommen wir da raus?
Und du weißt:
Jeder kleine Schritt macht was aus.
450 Jahre dauert es, bis eine OP-Maske zerfällt, wenn jemand sie ins Meer fallen lässt. 450 Jahre – und die ganzen kleinen Teilchen sind dann immer noch da. Ja: Die unbeschwerten Momente sind das Eine, was ich mir wünsche. Aber es geht auch noch um mehr. Davon spricht das Wilhelm-Busch-Gedicht in seiner zweiten Strophe:
Jede Gabe sei begrüßt, doch vor allen Dingen:
Das, worum du dich bemühst, möge dir gelingen.
Worum möchte ich mich bemühen in diesem Jahr? Was habe ich einzubringen? Was sind meine Gaben dafür?
Nimm dein Herz in die Hand
und geh wach durchs Leben
und sieh das, was schön ist, was dich trägt,
und auch das, was ziemlich quer dazu steht –
ein Blick für den Augenblick
und ein achtsames Herz,
ein Blick für den Augenblick
und ein waches Herz.
Gott, unser Leben und die Welt
sind in Gefahr geraten.
Wir haben die Natur entstellt
durch unbedachte Taten.
Wir beteten den Fortschritt an.
Zum Zeichen, was er kosten kann,
wächst Gift in uns’ren Saaten.
Du gabst uns Forschergeist und Macht,
den Lebensraum zu pflegen.
Wir gaben wenig darauf acht
und wirkten nicht zum Segen.
Wir werden wach und merken nun:
Wir dürfen, Gott, nicht alles tun,
was wir zu tun vermögen.
Gib, dass uns Wirtschaft und Gewinn
nicht in die Irre treiben,
dass wir uns nicht dem Sog darin
gedankenlos verschreiben.
Das Wohl des Menschenlebens nur
und die Gesundheit der Natur
muss unser Maßstab bleiben.
Du hast die Welt uns anvertraut,
sie menschlich zu gestalten.
Wer für die Zukunft plant und baut,
muss dein Gebot entfalten.
Wir stehen auf aus Schlaf und Traum
und sind gewillt, des Lebens Raum
der Nachwelt zu erhalten.
Mir hilft da eine kleine Erzählung. Bei einem Menschen, der zurückgezogen in den Bergen lebte,
kamen zwei Wanderer vorbei. "Wie kannst du hier so einsam leben – hier, in dieser Stille?" fragten sie. Er war grad dabei, Wasser aus einem tiefen Brunnen zu schöpfen. Er sah auf – und sagte zu seinen Besuchern: "Schaut hinein in den Brunnen. Was seht Ihr?"
Die beiden bückten sich über den Brunnenrand und versuchten, etwas zu erkennen. "Wir können nichts sehen", sagten sie. Nach einer kleinen Weile sagte er: "Schaut nochmal in den Brunnen. Was seht ihr?" Sie schauten noch einmal hinunter. "Ja – jetzt sehen wir etwas: Jetzt sehen wir uns." "Vorhin als ich Wasser geschöpft habe", sagte der Mann, "war das Wasser unruhig. Da war nichts zu erkennen. Jetzt ist das Wasser ruhig. Das ist die Erfahrung der Stille, nach der ihr gefragt habt. Man sieht sich selbst."
Es gibt viele Geschichten, die ähnlich klingen. Erfahrungen von Menschen "von heute". Der katholische Theologe Richard Rohr hat einmal erzählt:
Ich habe mich für eine Zeit in die Wüste zurückgezogen.
Morgens schaute ich der Sonne zu, wie sie aufging –
und am Abend, wie sie auf der anderen Seite wieder unterging.
In der Zeit dazwischen machte ich nichts.
So habe ich meine Mitte gefunden.
Ja, es geht um den Lebensstil, um die Mitte. Mit Sicherheit werde ich nicht so viel Zeit aufwenden wie Richard Rohr oder wie der Mann in den Bergen. Aber eins wird durch solche Geschichten klar: Ich werde auch in diesem Jahr wieder Zeit brauchen. Immer wieder Entschleunigung. Pausen. Ruhe. Stille. Zeit, mir selbst auf die Spur zu kommen - und Gott auf die Spur zu kommen. Wach sein für das, was zentral ist im Leben, für das, was mich trägt…
Das werde ich ausstrahlen. Das bewegt mich – und die Menschen um mich herum.
Gott, du bist Hoffnung.
Bei dir sind wir zuhaus,
du uns’re Hilfe, du unser Schutz.
Mit dir bläst uns nichts um.
Mit dir steh’n wir auf
und tragen die Hoffnung in die Welt.
Wir tragen die Hoffnung in die Welt.
Gott, du bist Hoffnung.
Vor dir werden wir still,
du unser Atem, du unser Licht.
Dein Segen gibt uns Halt.
Mit dir steh’n wir auf
und tragen die Güte in die Welt.
Wir tragen die Güte in die Welt.
Wenn ich mir überlege: Was möchte ich in diesem Jahr tun, damit unsere Schöpfung schöner wird – behütet bleibt? …dann gibt es viele Projekte, die ich verfolgen kann – als einzelner Mensch oder gemeinsam mit anderen, auch als Gemeinde. Ich kann fair gehandelten Kaffee trinken, Lebensmittel aus der Region essen, auch auf "bio" achten. Dann esse ich auch gut.
Von einem Projekt habe ich neulich gehört - das hat mich beeindruckt:
In Tansania pflanzen junge Menschen seit vielen Jahren Bäume am Fuß des Kilimanjaro. Denn sie hatten gemerkt: Das Klima ändert sich. Es wird immer trockener. Und es gibt immer wieder schwere Regenfälle, die Menschen obdachlos werden lassen. So wurde "Wanapanda" in der Region zu einer Aktion, die dort auch zu Beginn eines jeden Konfirmandenjahrgangs durchgeführt wird. "Wanapanda" – Das Kiswahili-Wort heißt übersetzt: Sie pflanzen."Wanapanda" möchte auch Konfirmandinnen und Konfirmanden in Deutschland dafür gewinnen, Bäume zu pflanzen. Am besten: Sie suchen sich vor Ort auch weitere Unterstützer und Sponsoren für die Bäume.
Eine "kleine" Aktion mit großer Wirkung. Und wunderbar finde ich auch, dass es dadurch einen Brückenschlag gibt zwischen Menschen in Tansania und hier bei uns.
Du kaufst keine 60 Klamotten im Jahr –
und du trinkst ökofairen Musasa-Kaffee.
Dass die Kleinbauern in Ruanda
von ihrer Arbeit in Würde leben können,
ist die Idee.
Aber ist das genug,
damit Gerechtigkeit wächst
für Schöpfung, Mensch und Tier,
mit Haltung und einem Lächeln durch den Tag zu geh‘n
und so die Zeit zu besteh‘n?
Nimm dein Herz in die Hand
und geh wach durchs Leben
und sieh das, was schön ist, was dich trägt,
und auch das, was ziemlich quer dazu steht –
ein Blick für den Augenblick
und ein achtsames Herz,
ein Blick für den Augenblick
und ein waches Herz.
Wie war das: 60 Klamotten im Jahr… So viele Kleidungsstücke kauft jeder deutsche Verbraucher im Durchschnitt pro Jahr, so der NDR und verschiedene Tageszeitungen im letzten Jahr – alle 6 Tage eins, heißt das umgerechnet. Und die Unterwäsche ist noch nicht mal mitgerechnet. Auch wenn ich selbst bei weitem nicht so viel zusammenkriege – schauen, was ich da kaufe und wieviel, kann ich allemal. Denn letztlich steckt hinter dem persönlichen Faktencheck ja die Frage:
Wie gehen wir miteinander um – auch in der Weltgemeinschaft? Ein Mann aus Argentinien hat über die Probleme in seiner Heimat berichtet:
"Das, was die bei Euch nicht dürfen – das Fracking, das machen die jetzt bei uns – und an vielen anderen Orten – auch in Afrika. Etwa 100 Kilometer entfernt von Neuquén verändert sich die Landschaft. In dem Gebiet, das von einigen bereits »das Saudi-Arabien Patagoniens« genannt wird, blühen im Frühling auf der Südhalbkugel die Obstbäume. Weingüter erstrecken sich bis zum Horizont. Noch. Doch die Pappeln entlang der Straßen, auf denen ständig Lastwagen mit Ladungen von Wasser, Sand, Chemikalien und Metallteilen unterwegs sind, werden nach und nach durch Erdölbohrtürme und Pumpstationen ersetzt. Und durch sogenannte "Unfälle" werden ganze Landstriche verunreinigt. Davon werden jeden Tag im Schnitt zwei gemeldet. Dadurch haben die Menschen bei uns vielerorts kein Grundwasser mehr. Die machen das auch in Naturschutzgebieten. Es ist furchtbar. Sagt das bei Euch weiter. Und steht zu uns."
Nach Warnungen über die Gefahren des Fracking haben zehn Gemeinden in der Region die Technik verboten. Die Justiz hat jedoch mehrere dieser Regelungen für verfassungswidrig erklärt - mit dem Hinweis darauf, dass diese die kommunalen Kompetenzen überschreiten. So die Heinrich Böll Stiftung. Vieles, was bei uns nicht mehr so ohne Weiteres durchsetzbar ist, wird in Länder verlagert, in denen die Konzerne keine Rücksicht nehmen müssen. Manchmal wird man mit dem Kopfschütteln nicht fertig. Die Menschen dort brauchen uns. Mit vielen anderen möchte ich nicht nur den Kopf schütteln, sondern ihn gebrauchen. Und auf mein Herz hören.
Sind wir denn bereit, den Mund laut aufzutun,
bis alle, alle satt werden?
Wir sind auf dem Weg im Dunkel unsrer Welt,
bis wir endlich Frieden seh’n.
Und wir werden so lang aufsteh’n,
bis das Brot für alle reicht.
So lang treten wir für alle Menschen ein
wie der, der uns alle liebt.
Wenn es den Menschen schlecht geht in ihren Ländern, wenn ihnen die Lebensgrundlage entzogen wird oder Bürgerkrieg herrscht, dann werden sie aus ihrer Heimat vertrieben, müssen eine neue Bleibe suchen, kommen auch hierher zu uns. Zain-Alabidin Al-Khatir ist aus dem Sudan zu uns gekommen. Er beschreibt in einem Buch die 28 Stationen seiner zwei Jahre dauernden Flucht.
Er sagt: Niemand, der sein Heimatland verlassen hat, ausgewandert oder geflohen ist, hat das freiwillig getan. Sie alle waren dazu gezwungen. Sie sind alle Menschen, Menschen genau wie ihr.
Sie wollen nur ihr Leben retten und ihren Frieden finden. Sie versuchen, der Hölle zu entkommen, in der sie leben mussten. Jetzt brauchen sie dringend Menschen, die sie unterstützen, die ihnen Zuflucht bieten und ihnen dabei helfen, zurechtzukommen. Menschen, die sie aus ihrer Einsamkeit holen und mit ihnen die Leere füllen, die ihr bisheriges Leben hinterlassen hat. Es sind Menschen, die im Gespräch scherzen und lachen. Aber in ihrem Innersten werden sie von einem Schmerz zerfressen, den nur Menschen wie sie kennen. Ich wünsche mir, dass Ihr ihnen unvoreingenommen gegenüber tretet und tut, was in Eurer Macht steht, um ihr Leben ein bisschen heller zu machen.
Darum geht es – nicht mehr und nicht weniger: Das Leben von Menschen ein bisschen heller zu machen. Und dadurch selbst zufriedener und glücklicher zu werden. Manchmal habe ich das Gefühl: Ich muss dabei stärker sein als meine stärkste Ausrede.
Aus Traum und Tränen sind wir gemacht.
Wenn du trauerst, will ich dich trösten.
Aus Angst und Hoffnung sind wir gemacht.
Wenn du Tod sagst, sage ich Leben.
Situationen des Glücklich-Seins. Für die, die tröstet – und für die, die aufatmen kann. Für den, der jemanden wärmt – und für den, dem nicht mehr kalt ist. Für den ein neuer Horizont aufgeht – und für die, die Hoffnung verbreitet. Ich wünsche mir, dass wir ganz viel davon erleben in diesem Jahr 2022: spüren, dass wir am Leben sind – und das an manchen Tagen ganz neu und frisch. Uns immer mal wieder sagen: Kopf hoch! Sonst kannst du die Sterne nicht mehr sehn. Und mit "Lebensappetit" in einen neuen Tag gehn, Pausen finden, Leichtigkeit erfahren und Phantasie für das Leben entwickeln.
Vom ersten bis zum letzten Atemzug unseres Lebens sind wir beschenkt, allein schon dadurch, dass wir atmen. Der Atem gibt uns den Rhythmus. In allem, was lebt, wohnt ein Hauch von Gott.
Sensibel sein für diesen Pulsschlag der Schöpfung. Tun, was notwendig ist – und lassen, was überflüssig ist. Oft wird sich zeigen: Wer loslässt, hat die Hände frei. Ich bin überzeugt: Darauf liegt Segen. Unter uns die Erde, die uns trägt. Über uns der Himmel, der uns schützt. Und vor uns der Weg, den wir nicht allein gehn.
Seid behütet und beschützt
auf dem Weg durch die Zeit
von unserm Gott, der bei uns bleibt,
mit seiner Güte bei uns bleibt
auf dem Weg durch die Zeit.
Seid behütet und beschützt,
wo auch immer ihr geht,
von unserm Gott, der zu uns steht,
mit seiner Liebe zu uns steht
auf dem Weg durch die Zeit.
Seid behütet und beschützt,
wenn der Tag euch auch graut,
von unserm Gott, der uns vertraut,
der uns die Schöpfung anvertraut
auf dem Weg durch die Zeit.
Seid behütet und beschützt
wie ein Vogel im Nest,
weil unser Gott uns nie verlässt,
nicht einen Augenblick verlässt
auf dem Weg durch die Zeit.
Es gilt das gesprochene Wort.
Musik dieser Sendung:
- Fritz Baltruweit, Nimm dein Herz in die Hand, CD-Titel: Hellwache Herzen
- Fritz Baltruweit, Nimm dein Herz in die Hand, CD-Titel: Hellwache Herzen
- Fritz Baltruweit, Nimm dein Herz in die Hand, CD-Titel: Hellwache Herzen
- Fritz Baltruweit, Nimm dein Herz in die Hand, CD-Titel: Hellwache Herzen
- Fritz Baltruweit, Gott, unser Leben und die Welt sind in Gefahr geraten, CD-Titel: Hellwache Herzen
- Fritz Baltruweit, Nimm dein Herz in die Hand, CD-Titel: Hellwache Herzen
- Fritz Baltruweit, Bis das Brot für alle reicht, CD-Titel: Hellwache Herzen
- Fritz Baltruweit, Kleines Liebeslied, CD-Titel: Hellwache Herzen
- Fritz Baltruweit, Seid behütet und beschützt, CD-Titel: Hellwache Herzen
Es gilt das gesprochene Wort.