O Heiland, reiß die Himmel auf!

O Heiland, reiß die Himmel auf!

Gemeinfrei via unsplash.com (Łukasz Łada)

O Heiland, reiß die Himmel auf!
Ein Aufschrei der Sehnsucht nach einer anderen Welt
02.12.2018 - 07:05
27.06.2018
Günter Ruddat
Über die Sendung:

Mit diesem alten Adventslied (EG 7) hat vor fast 400 Jahren der Jesuit Friedrich Spee (von Langenfeld, 1591-1635) schon in bewegenden Bilder und in barocker Lyrik angedeutet, was dahinter steht, wenn einer sich gegen den kollektiven Wahn der Hexenprozesse seiner Zeit zur Wehr setzt und Widerstand leistet. Seine spätere Schrift „cautio criminalis“ (1631) ist ein beredtes Zeichen für diesen Kampf und hat entscheidend zum Ende des Hexenwahns in Deutschland beigetragen. Der in Kaiserswerth geborene katholische Prediger und Seelsorger, später Professor für Moraltheologie in Paderborn, Köln und Trier, entwickelt in diesem 1622 geschriebenen Lied in prophetischer Tradition (Jesaja 45,8; Jesaja 63,19b-2) eine unverändert aktuelle Dynamik zwischen Klage und Sehnsucht. Das Lied ist erst nach dem Zweiten Weltkrieg ins Evangelische Gesangbuch aufgenommen worden (heute: EG 7).

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Es ist noch früh am Morgen. Der 1. Advent.

Meine Frau und ich werden bald am Frühstückstisch sitzen, dazu die erste Kerze anzünden und adventlich Musik hören.

 

Wir singen still mit.

 

1) O Heiland, reiß die Himmel auf,
herab, herab vom Himmel lauf;
reiß ab vom Himmel Tor und Tür,
reiß ab, wo Schloss und Riegel für.

 

2) O Gott, ein' Tau vom Himmel gieß,
im Tau herab, o Heiland, fließ.
Ihr Wolken, brecht und regnet aus
den König über Jakobs Haus.

 

3) O Erd, schlag aus, schlag aus, o Erd,
daß Berg und Tal grün alles werd.
O Erd, herfür dies Blümlein bring,
o Heiland, aus der Erden spring.
(1)

 

Auf einmal werden Kindheitserinnerungen wach, angereichert, so, wie ich sie heute in mir trage:                

Im Kindergottesdienst höre ich zum ersten Mal dieses Lied.

Ich staune mit offenem Mund über diese Bilder:

Reiß auf! Reiß ab!

Gieß aus! Fließ herab! Brecht aus!

Schlag aus! Bring hervor! Spring heraus!

 

Ich bin angerührt von diesem ungeduldigen Drängen, die Bilder bewegen mich. Ich frage, was sie bedeuten… und Schwester Lisbeth, die alte Gemeindeschwester erklärt:

 

Das ist Advent, wenn Jesus kommt, der Heiland.

Dann bleibt nichts mehr so, wie es ist. Alles verändert sich, alles wird neu.

Alles Böse und Schlimme ist erledigt. Es gibt keine Grenzen mehr, wir können überall hingehen. Wir können frei atmen, aufatmen. Wenn Jesus kommt, dann wird sich die Erde verwandeln.

Alles wird grün, so wie die Zweige am Adventskranz.

 

Und dann fügt sie noch hinzu:

Der Mann, der das gedichtet hat, der hat in einer schlimmen Zeit gelebt, im Dreißigjährigen Krieg. Die Menschen sind in schrecklicher Not, überall lauert der Tod, und dann noch: fürchterliche Hexenverfolgungen und Pestepidemien, die das halbe Deutschland dahinraffen. Dieser Dichter kann und will sich nicht mit dem ganzen Elend abfinden, er leidet an der schrecklichen Wirklichkeit… Darum hat er sich so inständig an Jesus gewandt, sein Leid geklagt und zugleich gesagt, was er hofft.

 

Diese Erklärung der alten Gemeindeschwester habe ich nie vergessen – und in jedem neuen Advent, den ich erlebe, freue ich mich besonders auf dieses Lied. Es holt mich heraus aus dem gewohnten Allerlei der Advents- und Weihnachtszeit. Ich singe es laut und kräftig, so als wollte ich, wie der Dichter damals, Gott in den Ohren liegen und Jesus ins Gebet hineinziehen.

 

Dieses Lied leiht mir mit seinem ungeduldigen Vorwärts-Drängen alte Worte, stiftet mich immer wieder neu an, wenn ich mich nicht abfinden will mit dem Elend, mit dem Wahnsinn gegenwärtiger Kriege, mit dem unsäglichen Hass gegen Menschen auf der Flucht, mit einer Sprache, die Menschen verachtet und zerstört.

 

Dann ist dieses Lied für mich unüberhörbar.

Ein Aufschrei der Sehnsucht nach einer anderen Welt –

auch wenn es schön musiziert und gesungen wird.

 

 

 

Als Erwachsener habe ich dann mehr erfahren über Friedrich Spee, den Dichter dieses Liedes, über sein Leben und sein Denken. (2)

 

Er war Priester, Poet und Prophet, Aufklärer und Anwalt unschuldiger Menschen. Er wird in Kaiserswerth am Niederrhein am 25. Februar 1591 geboren, als Sohn einer liberalen katholischen Adelsfamilie besucht er in Köln das Jesuitengymnasium und tritt mit 19 Jahren in den Jesuiten-Orden ein. Der junge Friedrich Spee studiert zuerst Philosophie in Würzburg und dann Theologie in Mainz und wird dort 1622 zum Priester geweiht. In diesem Jahr – vor fast 400 Jahren – entsteht sein Adventslied „O Heiland, reiß die Himmel auf“.

 

Von seinem Orden wird Spee 1623 als Professor für Philosophie nach Paderborn geschickt, wenige Jahre später macht der 30jährige Krieg seine Lehrtätigkeit unmöglich. Immer wieder muss er wegen des Krieges in ruhelosem Hin und Her seine Aufenthaltsorte wechseln.

 

In dieser Zeit wird sein weiteres Leben entscheidend geprägt. Denn als Beichtvater muss er die sogenannten „Hexen“ jener Zeit seelsorgerlich betreuen und sie zum Scheiterhaufen begleiten. Er lernt die Nöte und Qualen der gebrandmarkten Frauen kennen und muss erschüttert mit ansehen, wie selbst Mädchen unter neun Jahren als Hexen verbrannt werden. In den vielen Gesprächen wird ihm die völlige Unhaltbarkeit der Anklagen deutlich. Er erkennt den fanatischen Wahn, der sich in diesen Hexenprozessen austobt, und wird zum leidenschaftlichen Ankläger dieser menschenverachtenden und grausamen Praxis.

 

Für ihn ist das alles überhaupt nicht vereinbar mit Jesus, mit dem wirklichen Verstehen des Glaubens und der Liebe. Immer wieder grenzt Spee sich kritisch von seinem Orden ab, aus dem er zeitlebens immer mal wieder ausgeschlossen werden soll. Aber es finden sich auch immer aufs Neue Fürsprecher – in diesen aufgewühlten Zeiten von Religionskrieg und Gegenreformation.

 

 

 

Aus dem Jahr 1629 wird erzählt: Friedrich Spee wird bei einem Überfall bei Peine in Niedersachsen von einem Unbekannten verfolgt und fast totgeschlagen. Als katholischer Theologe kann er zu einem protestantischen Freund flüchten und dieser Prediger leistet erste Hilfe.

 

Während Spee sich von dem Attentat erholt, das ihn ein Leben lang zeichnet, kommt seine poetische Seite wieder zum Vorschein. Er entwickelt eine intensive dichterische Tätigkeit, unter anderem entsteht sein poetisches Hauptwerk „Trutz-Nachtigall“. (3)

 

Kurze Zeit danach – zurück an der wieder eröffneten Universität Paderborn – wird er schon 1631 seines Amtes enthoben, weil er die Hexenprozesse zum kritischen Gegenstand seiner Vorlesungen macht. Wie ein Prophet will er den Teufelskreis von Denunziation, Anklage, Folter und Verurteilung durchbrechen.

 

Seine Freunde veröffentlichen in einem evangelischen Verlag noch im gleichen Jahr anonym die bedeutsame Schrift Spees gegen die Hexenjagd und ihre mörderischen Methoden, „Cautio criminalis“, zu Deutsch: Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse. (4) Diese lateinische Schrift ist als vehemente Anklage an Fürsten, Juristen und Theologen adressiert, sie erregt in kurzer Zeit gewaltiges Aufsehen und bewegt die damalige Gesellschaft.

 

Die Wirkung verstärkt sich noch als Johann Seifert, ein protestantischer Prediger, kurz vor dem Ende des 30jährigen Krieges, die Schrift ins Deutsche übersetzt.

Damit ist das Ende der Hexenverfolgungen und des Hexenwahns eingeleitet.

 

In einer grundlegenden Überarbeitung verschärft Spee mutig seine Argumentation und stellt fest:

 

„Mit den körperlichen Qualen der Folter könne man jeden Menschen zu jedem beliebigen Geständnis zwingen. … Man möge ihm irgendein wie auch immer monströs geartetes, fiktives Verbrechen nennen, dazu eine willkürlich des Verbrechens beschuldigte Person, und mit Hilfe der Folter werde er immer die Schuld beweisen können. Andernfalls solle man ihn selbst auf dem Scheiterhaufen verbrennen.“ (5)

 

Es kommt heraus, dass er der Autor ist, aber die Oberen seines Ordens decken ihn. Gleichwohl wird er aus dem Verkehr gezogen und nach Trier versetzt. Dort tobt der Krieg mit wechselnden Fronten und Koalitionen, Spee versucht immer wieder zugunsten der Gefangenen zu vermitteln. Bei der Seelsorge und Pflege von Pestkranken und verwundeten Soldaten wird er schließlich selbst infiziert und stirbt dort am 7. August 1635 im Alter von 44 Jahren.

 

Erst 1980 wird sein bis dahin unbekanntes Grab in der Krypta der Jesuitenkirche in Trier wiederentdeckt.

 

 

1622, vor fast 400 Jahren, schreibt Friedrich Spee noch während seines Studiums dieses Adventslied „O Heiland, reiß die Himmel auf“, zusammen mit anderen Liedern in deutscher Sprache, die für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gedacht sind. Er will mit diesen Liedern ganz elementar sein theologisches Programm vermitteln, mit dem er – geprägt von tiefer Frömmigkeit – sich zugleich menschenfreundlich wie politisch und sozialkritisch engagiert.

 

Dahinter steht die leidenschaftliche Sehnsucht nach der Ankunft des Messias, des Christus. Diese Sehnsucht erfasst für ihn die ganze Welt, den Kosmos. Zugleich gilt für Spee: Wer die Schönheit der Schöpfung als Werk Gottes besingen will, muss ebenso leidenschaftlich gegen ihre Zerstörung durch die Menschen angehen.

 

Das macht Spee mit den Mitteln der Sprache in der Zeit des Barock deutlich - und das ist neu und ungewöhnlich:

Er bezieht Position und spricht Gefühle aus, die ihn bewegen und die er wecken will. Und diese Ausdrucksmittel setzt er gerade in diesem Lied ein. Das sich wiederholende O und Ach ruft klagend und seufzend schmerzhaft wach, welche unsägliche Not ihn bewegt.

Zugleich malt er in dunkler Zeit kraftvoll leuchtende Bilder der Hoffnung.

                                                       

1) O Heiland, reiß die Himmel auf,
herab, herab vom Himmel lauf;
reiß ab vom Himmel Tor und Tür,
reiß ab, wo Schloss und Riegel für.

 

2) O Gott, ein' Tau vom Himmel gieß,
im Tau herab, o Heiland, fließ.
Ihr Wolken, brecht und regnet aus
den König über Jakobs Haus. (1)

 

Da singt einer – erfüllt von biblischen Bildern – und will zum Mitsingen bewegen, zum kraftvollen Einstimmen.

 

Er rüttelt an den verschlossenen Türen des Himmels, fleht wie ein Prophet, dass der verborgene Gott sich endlich durchsetzt:

 

„Ach, dass du den Himmel zerrissest und führest herab,…, dass dein Name kundwürde“ (Jes 64,1).

 

Mit Bildern aus der Natur verwandelt Spee sensibel Phänomene der Schöpfung in Bilder des Glaubens:

 

Das Haus Jakobs, das Volk Israel, stellvertretend für die ganze Menschheit, wartet, lechzt wie das dürre Erdreich nach Tau und Regen, wartet auf einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt.

 

Spee überträgt das große Hoffnungswort aus dem Buch des Propheten Jesaja auf den Messias, den Heiland.

                                              

3) O Erd, schlag aus, schlag aus, o Erd,
daß Berg und Tal grün alles werd.
O Erd, herfür dies Blümlein bring,
o Heiland, aus der Erden spring.

 

„Tauet, ihr Himmel, von oben, und ihr Wolken, regnet Gerechtigkeit. Die Erde tue sich auf und bringe Heil, und Gerechtigkeit wachse mit auf!“ (Jes 45,8)

 

Spee versteht das als Bild für die Geburt Jesu, wie es die kirchliche Tradition deutet. Gottes Geist legt sich wie Tau in der Morgenfrühe (Psalm 110,3) auf das Land, lautlos und sanft auf Felder und Wiesen, erfrischt und spendet neues Leben.

 

So erwartet er den König, den Sohn Davids, der vom Himmel herabsteigt, der sich wie Regen nach einem Wolkenbruch über die dürstende Erde ergießt und alles tränkt, damit das Leben grünen, aufblühen und wachsen kann. Die Erde hilft mit, die neue Welt zu erwecken.

 

Gott bleibt nicht im Himmel, Gott kommt auf die Erde und begleitet die Menschen wie die Wolke im Zug durch die Wüste. Sein guter Geist dringt in die Welt der Menschen ein. Gott geht auf den Grund – ganz unten.

 

Und das ist notwendig, not-wendend, weil so die Menschheit, das, was in sie eingesenkt wurde, als einen der ihren selbst hervorbringen kann, Jesus aus Nazareth, Gottes Mensch unter Menschen.

 

Auf diese Abwärtsbewegung, das ersehnte Einlassen des Erlösers auf die Erde, folgt die drängende Frage:

 

Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt?
 

Da nimmt dieses prophetische Adventslied das Beten und Singen des hochbetagten Simeon im Tempel von Jerusalem auf, so wie es das Lukas-Evangelium erzählt: Simeon hat nicht umsonst „auf den Trost Israels“ gewartet (Lukas 2,25).

 

„Herr, meine Augen haben deinen Heiland gesehen, das Heil, das du bereitest hast vor allen Völkern“. (vgl. Lukas 2, 29-32)

 

Darauf gründet Spee seine Hoffnung, sein Gebet.

Die zwischen Trost und Hoffnung gespannte Stimmung prägt den zweiten Teil des Liedes.

                                     

4) Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt,
darauf sie all ihr Hoffnung stellt?
O komm, ach komm vom höchsten Saal,
komm, tröst uns hier im Jammertal.

 

5) O klare Sonn, du schöner Stern,
dich wollten wir anschauen gern;
o Sonn, geh auf, ohn deinen Schein
in Finsternis wir alle sein. (1)

 

Hier bringt Spee das Wir ins Spiel, die christliche Gemeinde.

Ja – „Wir“ beseufzen die Not und stellen die Fragen – nicht nur im Advent.

                                              

6) Hier leiden wir die größte Not,
vor Augen steht der ewig Tod.
Ach komm, führ uns mit starker Hand
vom Elend zu dem Vaterland. (1)

 

Wir, das sind Menschen im „Elend“, im ursprünglichen Sinn eli lenti: „fern von der Heimat“ – Menschen, die sozusagen im Exil sind und unbehaust, fern von Gott und seiner Güte;

 

Menschen, die am eigenen Leib erfahren, die Erde, die Welt ist noch nicht erlöst.

 

Die Zukunft, die Jesaja angekündigt hat, und die Hoffnung, die sich jetzt mit Jesus verbindet, stehen Spee vor Augen, Sie ist vielleicht angebrochen, aber noch nicht endgültig eingelöst. Das Letzte steht noch aus.

 

Es gilt, diese Spannung auszuhalten und zu ertragen, zwischen dem Glauben: „der Heiland der Welt ist gekommen“ und der Erfahrung: „Die Welt ist ein Jammertal“ – unheilvoll, unerlöst.

 

Das Lied macht diese Spannung mit starken Kontrasten sichtbar.

In der tödlich bedrohenden Not bewahrt die hoffnungsvolle Erwartung ein immer noch offenes Ende, für alle, die sich sehnen und sich ausstrecken nach einer Heimat, die bleibt, nach wirklichem Zuhausesein, nach dem wieder gefundenen Paradies – ohne Furcht und Flucht, ohne Verlassenheit und Verfolgung, ohne Mord und Totschlag, ohne Krieg und Katastrophen.

 

Diese volle Spannung, dieses bewusst offene Ende ist von den singenden Gemeinden und Zeitgenossen wohl nicht bis zum Schluss ausgehalten worden. Das Lied sollte im Gesangbuch so nicht stehen bleiben. Darum wird schon früh, kurze Zeit nach dem Entstehen des Liedes – und offensichtlich nicht von Spee selbst – ein versöhnlicher Schluss, eine 7. Strophe hinzugefügt. Es ist eine Strophe des Lobens und Dankens, um das unbeantwortete Flehen aufzufangen und aufzulösen. Da gelangt die Sehnsucht dann doch noch ans Ziel.

                                              

7) Da wollen wir all danken dir,                               
unserm Erlöser, für und für;
da wollen wir all loben dich
zu aller Zeit und ewiglich. (1)

 

Angesichts von Umbruch und Wertekrise, damals wie heute, verbindet das Lied zwischen Angst und Hoffnung. Es stellt nachdrücklich vor die Aufgabe, zur Besinnung zu kommen, die Abgründe des Lebens wahrzunehmen und die Dunkelheiten auszuhalten und sie auszuleuchten. Ganz einfach: Nicht zu resignieren, wo wir keinen Ausweg sehen. Festzuhalten an dem Bild, wie Gott die Welt gemeint hat. Es braucht Leute, die zur Not den Himmel aufreißen wollen, wenn die Erde die Hölle ist.

 

So wird das Lied zu einem Gebet für alle Christinnen und Christen, die diese Welt mit all ihrem Wahnsinn und mit allen ihren Widersprüchen wahrnehmen und dennoch fest darauf vertrauen, dass diese Welt sich ändern muss – und ändern wird.

 

Da ist dann rund um den Globus adventliches Aufstehen nicht mehr weit, gegen alle, die auf wehrlose Menschen schießen, die vor Armut flüchten – gegen alle, die Folter und Unterdrückung ungestraft einsetzen - gegen alle, die Menschen im Meer ertrinken lassen und Seenotretter verurteilen… und gegen uns selbst, wenn wir das klammheimlich dulden und uns damit arrangieren.

 

 

In einzelnen evangelischen Gesangbüchern (6) findet sich neben dem Lied

der folgende Text des Niederländers Huub Osterhuis:

 

„Reiß die Wolken auseinander und komm!
Hier, jetzt, sei unser Gott – wer sonst?
Niemand sonst hat uns gesucht,
niemand hat unser forteilendes Herz
umgewendet, unsere widerspenstige
Seele angeredet als du.
Niemand sonst hat gerufen
wie ein Verliebter: hier bin ich, hier bin ich.
Wie ein Verlorener hast du gerufen,
und unser Herz kehrte um und hörte.
Wo bist Du jetzt? Wo bleibt deine Leidenschaft?
Bist du nicht mehr der eine von damals?“
(7)

 

Diese Fragen begleiten uns hinein in den Advent, gehen mit uns durch die Zeit der Sehnsucht nach einem neuen Himmel über der Erde und nach einer neuen Erde unter dem Himmel.

        

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

 

 

Musik dieser Sendung:

  1. O Heiland, reiß die Himmel auf, Reiner Regel & Jan Keßler. SacreFleur rouge
  2. O Heiland, reiß die Himmel auf, Vocal Concert Dresden, Ltg. Peter Kopp, Lob, Ehr und Preis sei Gott. Die schönsten deutschen Kirchenlieder
  3. O Heiland, reiß die Himmel auf, Hans-Jürgen Hufeisen, Inmitten der Nacht. Instrumentalmusik zur Weihnachtszeit
  4. O Heiland, reiß die Himmel auf, St.-Martins-Chorknaben Biberach, Der musikalische Adventskalender
     

 

Literaturangaben:

  1. Evangelisches Gesangbuch – Stammausgabe 1994, Nr. 7, Text: Friedrich Spee 1622; Str. 7 bei David Gregor Corner 1631, Melodie: Köln 1638, Augsburg 1666
  2. Vgl. Darstellungen zur Biographie von Friedrich Spee von Langenfeld:
    Anton Arens: Friedrich Spee. Ein dramatisches Leben. Trier 1990
    Karl Keller: Friedrich Spee von Langenfeld (1591-1635).  Leben und Werk des Seelsorgers und Dichters. Geldern 1990
    Karl-Jürgen Miesen (Hg): Friedrich Spee von Langenfeld (1591-1635).  Ein Dichter und Aufklärer vom Niederrhein. Düsseldorf 1991
    Walter Nigg: Friedrich von Spee. Ein Jesuit kämpft gegen den Hexenwahn.  Paderborn 1991
    Michael Sievernich (Hg): Friedrich von Spee. Priester – Poet – Prophet. Frankfurt/ Main 1986
  3. Friedrich Spee: Trutz-Nachtigall. Kritische Ausgabe nach der Trierer Handschrift. Hg. von Theo van Oorschot, Reclam 2596/4, Stuttgart 1985
  4. Friedrich Spee: Cautio Criminalis oder Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse, übertragen und eingeleitet von Joachim-Friedrich Ritter, dtv-Tb 6122, München 5. Aufl.1987
  5. Zusammenfassend zitiert nach https://de.wikipedia.org/wiki/Cautio_Criminalis (14.11.2018)
  6. Das ursprünglich katholische Adventslied „O Heiland, reiß die Himmel auf“ findet zusammen mit der 7. Strophe erst nach dem Zweiten Weltkrieg Eingang in die evangelischen Gesangbücher und überspringt damit die Grenze der Konfessionen – wie umgekehrt übrigens das in gleicher Zeit entstandene evangelische Adventslied „Macht hoch die Tür“ (EG 1). Huub Osterhuis, Reiß die Wolken auseinander (Verlag Herder, Freiburg i.B.), u.a. in: EG – Ausgabe für die Ev.-Luth. Kirchen in Bayern und Thüringen, München/ Weimar 1994, S. 39 (zu EG 7)


 

27.06.2018
Günter Ruddat