Ankommende

Morgenandacht
Ankommende
03.05.2016 - 06:35
27.12.2015
Pfarrer Wolf-Dieter Steinmann

Sie werden Palmbach nicht kennen. Müssen Sie auch nicht. Palmbach ist klein. Für die Republik nicht wirklich von Bedeutung. Nur ein kleiner Ortsteil von Karlsruhe. Trotzdem finde ich Palmbach erwähnenswert, weil im gewissen Sinne exemplarisch. Genauer der Name und die Geschichte des Ortes.

Beide erinnern nämlich an eine uralte biblische Erfahrung. Sie bündelt sich in dem Satz: „Mein Vater war ein umherziehender Aramäer.“ So beginnt das jüdische Glaubensbekenntnis.(Dtn 6,25)

Die Schreiber des Alten Testaments, der hebräischen Bibel, haben das festgehalten. Und bringen mit diesem Satz jüdische Identität auf den Punkt. Jedenfalls einen Teil, den sie anscheinend für unverzichtbar gehalten haben: „Mein Vater war ein umherziehender Aramäer.“ Aramäer, aramäisch. Diese uralte Sprache wird heute noch von Menschen in Syrien gesprochen.

 

Der Satz steht wohl in der Bibel, weil Juden nicht vergessen sollten: Wir sind nicht immer schon da gewesen. Wir sind Angekommene. Dass wir glücklich Angekommene sind, ist ein kleines Wunder. Ein Zeichen, es ist doch noch gut gegangen. Denn selbstverständlich ist es nicht, dass umherziehende Menschen irgendwo gut ankommen. Eher ist es so etwas wie ein Gottesbeweis.

 

„Mein Vater war ein umherziehender Aramäer.“ Die Erfahrung aus dem jüdischen Glaubensbekenntnis zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze menschliche Zivilisation. Dass Menschen irgendwo ankommen können, glücklich, ist nicht selbstverständlich. Selbstverständlich ist eher, dass sie vorher irgendwo weg mussten, ausgewandert sind, geflohen; vertrieben wurden.

 

Genau deswegen finde ich Palmbach erwähnenswert. Den kleinen Ortsteil von Karlsruhe. Wobei, vermutlich könnte fast jeder in Deutschland eine ähnliche Geschichte vom Ankommen erzählen. Man muss nur weit genug zurück forschen.

 

‚Vor 300 Jahren waren unsere Vorfahren genauso Flüchtlinge wie viele heute‘, hat mir jedenfalls ein Palmbacher erzählt.

 

Lange Zeit war dem Palmbacher das nicht wirklich bewusst. Es hatte ihn auch nicht interessiert. Bis zum großen Dorffest: ‚300 Jahre Palmbach.‘ Und da hat er angefangen zu forschen. Heute ist er stolz darauf, dass er Waldenser in der 11. Generation im Ort ist. 1701 sind seine Vorfahren angekommen. Als Vertriebene. Eigentlich war ihr Landesherr Italiener. Der Herzog von Piemont. Aber der Herzog hat seine Waldenser um des Friedens willen mit Ludwig XIV. verraten: Der französische Sonnenkönig war bereit, den Krieg mit dem Herzog zu beenden. Seine Bedingung dafür allerdings: Die evangelischen Waldenser müssen fort.

 

Evangelisch war die „falsche Religion“. Deshalb wurden die Urpalmbacher Glaubensflüchtlinge. Dabei waren sie nur einfache Bergbauern aus den Alpen, aus dem Dorf „La Balme“. Als sie dann endlich in der Nähe von Karlsruhe angekommen waren, haben sie nach Jahren den alten Namen eingedeutscht zu „Palmbach“. So machen sich wohl alle Vertriebenen das Ankommen ein bisschen leichter. Indem sie ein bisschen alte Heimat mitbringen. Und sie haben die Kartoffel nach Süddeutschland gebracht. Was wären wir kulinarisch ohne Zuwanderer?

 

Und es war damals anscheinend auch nicht anders als heute:

Ankommen ist nicht selbstverständlich. Es gibt immer Einheimische, denen die Umherziehenden nicht passen. Die Waldenser kamen damals in Baden-Württemberg zwar in evangelisches Land. Aber in ein lutherisch-evangelisches und das waren die Waldenser nicht. Ein Pfarrer aus der Nachbarschaft hat damals geschrieben: ‚Französisch und evangelisch-reformiert ist schlimmer als „türkisch“.

 

Warum muss es Flüchtlingen immer wieder so ergehen?           
Vertrieben aus der alten Heimat und ungewollt in der neuen?
Palmbach macht mir jedenfalls deutlich: Bis Vertriebene und Flüchtlinge wirklich glücklich Angekommene sind, das kann schmerzhaft sein. Und es braucht Herz füreinander bei Einheimischen und Ankommenden. Und wenn das Ankommen glückt, ist es vielleicht ein kleiner Beweis dafür, dass da auch ein guter Gott mitgewirkt hat. Die Palmbacher erinnern daran mit einem Denkmal, mitten im Dorf: Es heißt das „Tor des Ankommens“.

27.12.2015
Pfarrer Wolf-Dieter Steinmann