Betty Reis

Morgenandacht
Betty Reis
22.11.2021 - 06:35
15.09.2021
Pfarrer Titus Reinmuth
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Die Sendung zum Nachlesen: 

In diesem Jahr wäre Betty Reis einhundert Jahre alt geworden. Wer bei mir zuhause in Wassenberg die Gesamtschule besucht, stößt auf einen Gedenkstein mit ihrem Namen.

 

O-Ton Lara: Betty Reis war ein jüdisches Mädchen, sie ist 1921 hier bei uns in Wassenberg geboren und wurde verfolgt, ihre ganze Familie wurde verfolgt.

 

Lara Schmitz geht heute auf die Betty-Reis-Gesamtschule. Zusammen mit drei weiteren Schülerinnen aus der Oberstufe erzählt sie mir von der Namensgeberin ihrer Schule. Betty Reis ist 12 Jahre alt, als die Nazis an die Macht kommen, sie ist 17, als auch in Wassenberg die Synagoge brennt. Bald überschlagen sich die Ereignisse.

 

O-Ton Lara: Sie war dann irgendwann in Solingen, hat da als Kindermädchen gearbeitet. Ihr Bruder hat es geschafft zu flüchten, wollte sie mitnehmen und sie hat gesagt Nein, ich kann meine Familie nicht alleine lassen und wurde dann eben ins KZ gebracht, wo sie dann auch umgekommen ist.

 

Im Eingangsbereich der Schule hängt eine Gedenktafel. Schon die Kinder in der fünften Klasse stoßen darauf bei einer ersten Rundtour durch die Schule. Maren Mustert kann sich erinnern.

 

O-Ton Maren: Dazu wurde uns dann eben erzählt, wer Betty Reis war, und eben auch dieser Gedenkstein erklärt, dass der in zwei gebrochen ist und eine Hälfte hier bei uns und eine andere Hälfte eben in Bergen-Belsen zu Betty Reis steht.

 

Jedes Jahr fahren 40 Jugendliche aus den achten Klassen dorthin, ins KZ Bergen-Belsen.

 

O-Ton Maren: Ich war da ja selber auch. Und da hält man dann eben auch eine Gedenkfeier ab und eine Schweigeminute um den Stein herum.

 

Vor dreißig Jahren, als alles begann, war es ein Vorschlag der evangelischen Kirchengemeinde, der Gesamtschule in Wassenberg auch einen Namen zu geben und so an das jüdische Mädchen zu erinnern. Der Name Betty Reis hat hier viele Jugendliche geprägt.

 

O-Ton Lara: Für mich war es immer dieser Kontrast, dass Betty Reis, ein Mädchen genauso alt wie ich, sowas Schreckliches erleben musste und ich heutzutage Gott sei Dank in Frieden leben darf. Und ich denke, dass wir so die Dinge rund um den Holocaust nie vergessen dürfen, damit sich sowas eben nicht nochmal wiederholt.

 

So Lara. Mich beeindruckt das. Eine Schule hält die Erinnerung wach. Jugendliche lernen anhand der Geschichte eines Mädchens, das in ihrer Stadt groß geworden ist. Für Jana Hohnen ist wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler heute aktiv gegen Rassismus und Diskriminierung vorgehen.

 

O-Ton Jana: Diskriminierung finde ich ein großes Thema, weil ich finde, dass jeder Mensch einfach die Möglichkeit haben sollte, so zu leben wie er möchte. Nicht eingeschränkt von irgendwelchen Vorurteilen.

 

Luna Ongaro, die Schülersprecherin, weiß wohl, dass es an einer großen Schule immer wieder Konflikte gibt.

 

O-Ton Luna: Das lässt sich gar nicht vermeiden. Und wir als Team haben dann eben die Aufgabe, beispielsweise wenn rassistische Schimpfwörter verwendet werden, dazwischen zu gehen.

 

Ich staune. Dieses Team setzt sich ein für eine „Schule ohne Rassismus“ und „Schule mit Courage“. Es gab schon ein antirassistisches Fußballturnier und einen Aktionstag gegen Homophobie. Die Schülersprecherin möchte zeigen, ...

 

O-Ton Luna: ... dass wir da sind und dass wir eben auch aktiv dabei gegen Rassismus, gegen Ausgrenzung, gegen Homophobie was unternehmen.

 

Und immer im November bereiten die Jugendlichen die Gedenkfeier zur Reichspogromnacht in Wassenberg vor. Es ist das Privileg der Schülersprecherin, dann die Rede zu halten. Für Luna Ongaro ist das eine wichtige Pflicht. 

 

O-Ton Luna: Die Pflicht, die wir durch den Namen Betty Reis tragen. Die Pflicht, die wir haben, weil in Wassenberg so was direkt vor der Haustür passiert ist. Und in diesen Reden geht es eben darum, wie man die Menschen zusammenbringt, dass man zusammen für etwas einsteht und zusammen dafür kämpft, dass sowas nie wieder passiert.

 

Im Gespräch mit den Schülerinnen verstehe ich, wie „Gedenken“ eigentlich geht: Die Geschichte von Betty Reis und so vielen anderen – das sind Geschichten für heute.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

15.09.2021
Pfarrer Titus Reinmuth