Gandhi

Morgenandacht

Gemeinfrei via Pixabay / Naeimas Gary

Gandhi
Morgenandacht von Ulrike Greim
30.01.2023 - 06:35
29.01.2023
Ulrike Greim
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Wie erreicht man, dass die Waffen schweigen? Große Frage. Ich gäbe alles darum, jemanden zu kennen, der die Antwort weiß. Er oder sie sollte gehört werden. Jetzt ist schon fast ein Jahr Krieg in der Ukraine. Und ich kann und mag nicht mehr hinsehen. Der Krieg macht mich ohnmächtig und macht mich wütend. Aber weggucken? Ich will nicht aufhören zu hoffen, dass es andere Wege gibt als Sieg und Niederlage.

Heute jährt sich zum 75. Mal der Todestag von Gandhi. Mahatma – die große Seele, Bapu, der Vater der Nation wurde er genannt. Er hat sich zeitlebens dafür eingesetzt, dass Waffen schweigen. Als Moslems gegen Hindus losgeschlagen haben, Tausende Menschen umgekommen sind, in purem Hass, da hat Gandhi gefastet. Wissend um seine Popularität. Man könnte es auch Hungerstreik nennen. Er wollte kein Stück Brot mehr anrühren, bis nicht mehr geschossen wird, bis Moslems und Hindus laut aussprechen, dass sie nicht mehr aufeinander losgehen werden. Da ist Gandhi schon ein alter Mann, über 70, und gebrechlich. Aber eben auch ein Weisheitslehrer, einer, der schon oft und erfolgreich Konfliktparteien an einen Tisch gebracht hat und in verblüffender Klarheit die Dinge beim Namen genannt hat. Dafür wird er verehrt und bewundert.

Wie wird man einer, der mit Fasten Kriegsparteien befriedet?

Gandhi gehört zur gebildeten indischen Oberschicht, ist Sohn eines Diwans, eines Premierministers in Porbandar im Westen Indiens. Er wird streng religiös erzogen. Gebet und Frömmigkeit sind ihm von klein auf vertraut. Konflikte lösen ohne Gewalt – das hat er von seinem Vater, einem Mediator, früh mitbekommen. Als Rechtsanwalt lernt Gandhi, Rechte einzufordern, als Bürgerrechtler lernt er, zu provozieren. Er will Indien aus der Kolonialherrschaft führen. Eigene Kleidung nähen, eigenes Salz gewinnen – das sind Zeichen, die alle verstehen. Untersetzt mit Kraft und – wenn nötig – mit Nachdruck von vielen. Und ohne Gewalt. „Stärke“, so sagt er es, „entspringt nicht aus physischer Kraft, sondern aus einem unbeugsamen Willen.“

„Man soll Mut zeigen,“ sagt Gandhi. „Man muss bereit sein, einen Schlag hinzunehmen, vielleicht auch mehrere Schläge, um zu zeigen, dass man nicht zurückschlagen und nicht weichen wird. Durch diese Haltung erreicht man, dass etwas in der menschlichen Natur freigelegt wird, was den Hass kleiner werden lässt und schließlich dazu führt, dass derjenige respektiert wird.“ 

Es ist um 1940. Andere Zeiten. Die heutigen Arten, Krieg zu führen, sind da noch nicht erfunden.
Nichts lässt sich eins zu eins übertragen. Aber die Haltung ist schon das Entscheidende. Gandhi sucht Antworten in seinem Glauben. Auf alle Fragen. Wenn ich Tiere als Geschöpfe Gottes ansehe, kann ich sie nicht essen. Wenn ich Gott erfahren will, muss ich den Geist für ihn freihalten. Nicht ablenken. Wenn ich Frieden will, muss ich die Herzen erreichen. Er fastet viel, um den Körper zu reinigen, den Geist zu schärfen. Sich enthalten. Darum geht es. Damit das Wesentliche hervortreten kann. Gandhi ist ein Asket. Er lebt nur mit dem Allernotwendigsten. Leben nicht nur für die Armen, sondern als Armer.

Hingabe an Gott, in aller Radikalität. Glauben geht nicht nur ein bisschen. Fasten und Beten. „Ich will Hindus und Moslems beweisen, dass die einzigen Teufel die sind, die wir selbst in unseren Herzen tragen und ebenda in unseren Herzen sollten unsere Schlachten geschlagen werden.“ Von seinen eigenen Leuten, den Hindus, befragt, sagt er: „Ich bin Moslem, ich bin Hindu, ich bin Jude, ich bin Christ“. Er betont das einende, den einen Gott, die innere Verbindung.

Und dann geschieht es. Vor seinem Krankenlager, er hat hochbetagt drei Wochen ohne feste Nahrung durchgehalten, legen die Führer der Moslems und der Hindus ihre Waffen nieder und hoffen inständig, Mahatma möge wieder essen.

Brauchen wir Asketen? Wir brauchen Asketen. Asketinnen. Menschen, die sich mit Seele und Leib dem einenden Gott hingeben. Die die richtigen Sprachen sprechen, die herausfinden, welche Bilder gebraucht werden. Die die innere Verbindung suchen. In aller Klarheit, ohne Gewalt. Gott möge sie stark machen, sie mögen sich öffnen für die große Kraft, die Frieden schafft.

Es gilt das gesprochene Wort.

29.01.2023
Ulrike Greim