Gutes ist ansteckend

Morgenandacht

Gemeinfrei via unsplash/ Joel Muniz

Gutes ist ansteckend
02.08.2022 - 06:35
11.06.2022
Jula Well
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„Eigenlob stinkt“, so heißt es. Es ist mehr als peinlich, wenn sich einer selbst auf die Schulter klopft. „Hier stinkt‘s“, heißt es dann. Auch in der Bibel wird vor Selbstbeweihräucherung gewarnt. Im Matthäusevangelium (Mt 6,1) lese ich: „Wenn du Almosen gibst, soll deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte tut. Dein Almosen soll verborgen bleiben und dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.“ Zugleich aber, nur wenige Verse zuvor, heißt es anders. Da sagt Jesus: „Lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen“ (Mt 5,16).

 

Ja, was denn nun? Bescheidenheit und Diskretion beim Gutes tun, oder sollen es die Leute doch sehen können? Ich habe den Eindruck: Kulturell haben wir verinnerlicht, gute Taten voreinander zu verbergen. Gott im Himmel sieht es ja. „Vergelt´s Gott“, heißt es dann, und ansonsten wird geschwiegen.

 

Wie schade. Was für ein Verlust. Was für ein Verlust von Ansteckung. Ja, Ansteckung: Dieses Wort, kann auch Gutes bedeuten. Es gibt die Ansteckung mit Gutem! Wo Menschen Gutes tun, so dass es gesehen werden kann, da machen andere mit. Deshalb gibt es bei Spendengalas im Fernsehen auch den Ticker, diese kleine Zeile am unteren Bildrand, in der aufgelistet wird, wer wieviel gibt: Helmut K. aus Castrop, 30 Euro, Magdalene W. aus Berlin, 50 Euro, Tanja R. aus Trier, 5 Euro. Der Ticker motiviert mitzumachen und gemeinsam wird aus den vielen kleinen Spenden eine beeindruckende, große Summe.

 

Aber Achtung, lese ich in der Bibel: Wenn Du für diese Spendenaktion Geld gibst, damit dein Name im Ticker erscheint und damit alle sehen können, was für ein Menschenfreund du bist, dann ist das nicht ganz richtig. Almosen sind nicht dafür da, deine soziale Anerkennung zu vergrößern – denn dann geht es ja im Grunde nicht um den Nächsten, sondern um dich. Das kann man zwar machen, ist aber nicht ganz so edel.

 

Auf diese Ansicht treffe ich häufig. Nur die altruistische Nächstenliebe findet höchste Anerkennung. Von echter Güte ist die Hilfe, bei der die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut. Umgekehrt haftet ein Geschmäckle an der guten Tat, die auch der helfenden Person was bringt. Solches Handeln erscheint weniger wertvoll. Nur die Selbstlosigkeit gilt als wahre Tugend.

 

Diese Vorstellung von Nächstenliebe kann so weit gehen, dass Ehrenamtliche das Gefühl haben, sich rechtfertigen zu müssen. Eine Ehrenamtliche formulierte das hinter vorgehaltener Hand einmal so: »Ich mag es ja gar nicht sagen, aber ich mache das alles auch für mich. Weil ich durchs Ehrenamt eine wichtige Aufgabe habe und das tut mir gut. So bin ich überhaupt auf die Idee gekommen. Ich habe was für mich gesucht. Aber ich weiß, eigentlich geht es ja um die Bedürftigen.«

 

Ich sehe das anders. Ich denke, es geht um beide. Nächstenliebe hat diese beiden Seiten: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst! In diesem Sinne, bitte nicht so bescheiden: Erzählen Sie davon, was Sie Gutes tun für andere und damit auch für sich selbst. Erzählen Sie davon. Nicht, um sich selbst zu verherrlichen, sondern um die Nächstenliebe zu stärken. Und niemand sollte sich schämen, wenn es Freude bereitet, anderen Gutes zu tun. Ja, Gutes tun darf sich auch gut anfühlen, denn es ist eine Freude, und eben diese Freude lässt das Reich Gottes aufscheinen – mitten unter uns.

Es gilt das gesprochene Wort.

11.06.2022
Jula Well