Pack mit an!

Morgenandacht
Pack mit an!
Zur langen Nacht des Handwerks im Deutschlandfunk
27.02.2016 - 06:35
27.12.2015
Pfarrerin Heidrun Dörken

„Die Welt war noch nie so unfertig. Pack mit an.“ Mit diesem Spruch wirbt das deutsche Handwerk um Nachwuchs. Es ist was dran. In der Welt ist vieles noch nicht fertig. Das Leben ist oft eine Baustelle. Auch wenn man darüber streiten kann, ob die Welt früher vollkommener war als heute. Aber Werbung muss ja ein bisschen übertreiben.

 

Zum Glauben von Juden und Christen gehört: Gott wird die Welt eines Tages vollenden. Deshalb muss niemand die Welt selbst fertig machen. Aber mitwirken, das schon. Gott, der die Welt geschaffen hat, ruft jeden Menschen dazu auf, mitzumachen, den eigenen Beitrag zu leisten. Es ist göttliche und menschliche Aufgabe zugleich, die Erde zu bewahren und zum Guten hin zu gestalten. Da gibt es viel zu tun, das liegt auf der Hand. Jesus von Nazareth hat davon oft mit Bildern aus dem Handwerk gesprochen. Zum Beispiel sagte er: Wie ein Bauhandwerker, der ein solides Fundament für ein Haus legt, so legt man mit Vertrauen zu Gott einen guten Grund für sein Leben[i]. Oder: Wie eine Bäckerin mit wenig Sauerteig viel gutes Brot herstellt, so entsteht aus einem kleinen Anfang das große guten Ganze[ii]. Jesus spricht in diesen Bildern, weil er selbst Handwerker war. Martin Luther übersetzt Jesu erlernten Beruf mit Zimmermann. Wie damals üblich hatte er sein Handwerk von seinem Vater gelernt, mit Steinen und Holz Häuser zu bauen. Mit den Händen zu arbeiten war Lebensgrundlage für fast alle Menschen. Kaum ein jüdischer Gelehrter lebte nur von seiner Gelehrsamkeit. Unter den frühen Christen waren viele Handwerker, wie der Apostel Paulus als Zeltmacher oder die erste europäische Christin Lydia, die Purpurfärberin war.

 

Nach biblischem Zeugnis nimmt man durch Arbeit den göttlichen Auftrag war, die Welt zu gestalten. Sie gehört ganz selbstverständlich zum Menschen. Selbst im Paradies wird gearbeitet. Nirgends ist vom Wunsch die Rede, nie mehr etwas tun zu müssen. Das unterscheidet die Bibel von anderen antiken Zeugnissen. In der griechischen und römischen Welt war die Meinung verbreitet, dass Arbeit mit den Händen den Menschen abwertet und knechtet. Als Philosoph war man froh, nicht zu denen zu gehören, die mit ihren Händen den Lebensunterhalt verdienen mussten. Man träumte davon, vom Zwang der Arbeit befreit zu werden. Die Bibel dagegen will die Arbeit vom Zwang befreien. Das biblische Anliegen ist: Die Produzenten sollen selbst genießen können, was sie geschaffen haben. Jede und jeder soll vom Ertrag seiner Arbeit leben können, ohne menschenverachtende Ausbeutung. Natürlich haben die Menschen auch zu biblischen Zeiten oft im Schweiße ihres Angesichts schuften müssen. Doch es ist die Urerfahrung des Volkes Israel: Gott befreit aus der Sklaverei. Deshalb hält die Bibel fest, dass Menschen unter gerechten Bedingungen arbeiten sollen. Dafür einzutreten ist eine Folge des Glaubens an Gott. Darüber hinaus kann jeder Mensch stolz und dankbar sein über gute und gelungene Werke. Sie sind ein Segen.

 

Bestimmt wird auch davon die Rede sein, wenn der Deutschlandfunk heute Abend eine lange Nacht dem Handwerk widmet. Schließlich haben viele Handwerks-Zünfte ein hohes Ethos von alters her bewahrt mit der Bitte: „Gott schütze das ehrbare Handwerk“.

 

Heute Abend geht es um die fünf Millionen Handwerker, die in Deutschland für dichte Dächer, scharfe Brillengläser und nahrhafte Brote sorgen oder für guten Klang, wenn sie Musikinstrumente bauen. Natürlich geht’s auch um Ärger, Pfusch, hohe Rechnungen oder vergebliches Warten trotz vereinbarten Termins. Aber vor allem um die Stärken des Handwerks: Meister, Gesellen oder Lehrlinge sind bei Tag und auch bei Nacht tätig. Als eine Wirtschaftsmacht vor Ort tun Handwerker viel, um junge Leute auszubilden und Perspektiven zu bieten. Zurzeit trotz vieler Hürden auch jungen Leuten, die zu uns geflüchtet sind. Das ist nur eine der guten Antworten auf den Aufruf: Pack mit an, damit die Welt ein besserer Ort wird!

 

[i] Matthäus 7, 24-29

[ii] Matthäus 13, 33

27.12.2015
Pfarrerin Heidrun Dörken