Wie der Blitz – Zum Reformationstag

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Wie der Blitz – Zum Reformationstag
29.10.2016 - 10:00
31.10.2016
Pfarrerin Marianne Ludwig

Über die Sendung

Martin Luther hat sein ganzes Leben verändert – in einem einzigen entscheidenden Moment.

 

Sendung zum Nachlesen

Eine Enttäuschung für seinen Vater

„Hilf, heilige Anna, ich will ein Mönch werden!“ Wer dieses verzweifelte Stossgebet zum Himmel schickt, ist niemand anders als der junge Martin Luther. Was war passiert? Am 2. Juli 1505 befindet sich der lebensfrohe Jurastudent, der gerade zum Magister ernannt wurde auf dem Weg zurück an die Universität. Er hatte seine Familie in Mansfeld besucht und der Vater setzt große Hoffnungen in seine zukünftige juristische Karriere.

Ein schweres Gewitter setzt ein und Martin sucht Schutz unter einem Baum. Plötzlich schlägt ein Blitz in unmittelbarer Nähe ein. Der junge Mann stürzt zu Boden, schwört in Todesangst: „Ich will ein Mönch werden“. Nur zwei Wochen später macht er sein Gelübde wahr. Gegen den heftigen Widerstand seines Vaters tritt er am 17. Juli tritt in das gestrenge „Schwarze Kloster“ zu Erfurt ein. Der erste Schritt zur Reformation in Europa ist getan.

 

Alles ändert sich in einem Augenblick

Das sogenannte „Blitzerlebnis“ hat Martin Luther später immer wieder kommentiert: "Ich bin nicht gern und nicht aus Eifer ein Mönch geworden, viel weniger des Bauchs wegen, sondern da mich eine Angst und Todesschreck unversehens überfiel, tat ich ein erzwungen und erdrungen Gelübde.“ Martin Luther ist nicht der erste  berühmte Glaubende, den ein einzelnes Erlebnis aus einer sicheren Laufbahn herausreisst. Die Bibel selbst erzählt von Saulus, der geblendet von einem gleissenden Licht ebenfalls zu Boden fällt. So nachdrücklich ist dieser Sturz ins Dunkle, dass er sein Leben ändert. Aus dem unerbittlichen Verfolger der jungen Christengemeinde wird einer ihrer größten Lehrer: Der Apostel Paulus.

Beide Erlebnisse haben eines gemeinsam: Unvorhergesehen und scheinbar aus dem Nichts werden Menschen mit großen Lebensfragen konfrontiert. Sie müssen sich entscheiden - nicht freiwillig, nicht nach reiflicher Überlegung, sondern in der Not. Die Entscheidung prägt fortan ihr Leben - in der Hinwendung zu Gott.

Im Fall Luthers beginnt eine atemberaubende Entwicklung: Vom verängstigenden Mönch zum Bibeldolmetscher, der dem Volk dabei aufs Maul schaut bis hin zum bedeutenden Reformator der Kirche. Mögen seine Fragen an Gott anders lauten als die Fragen heutiger Menschen - eine Erfahrung ist uns gemeinsam: Wenn Lebenswege unterbrochen werden, kann dies zu einem Moment werden, „wo wir nach dem Himmel fragen“ (R.M.Rilke)

 

Gott will uns bewahren

Wobei der entscheidende Punkt der ist, dass nicht wir selbst unser Tun und Lassen unterbrechen. Im Gegenteil. Wenn uns etwas widerfährt, worauf wir keinen Einfluss haben, kann dies extrem belastend sein. Manche Menschen fangen dann an zu beten , selbst wenn sie im Alltag nicht viel mit Religion anfangen können.

„Der Tod hatte seine Arme schon nach mir ausgestreckt, das Totenreich warf seine Schatten voraus. Da rief ich den Namen des Herrn an: »O Herr, rette doch mein Leben!« (Psalm 116), so betet ein Psalmdichter.

Diese Erfahrung, zerbrochen zu werden und doch in der Gnade zu bleiben (Nelly Sachs) prägt Glaubende wie Martin Luther. Als 1505 der Blitz neben ihm einschlägt und die Druckwelle ihn zu Boden schleudert, nimmt sein Leben eine andere Richtung. Am eigenen Leib hat er erfahren, wie zerbrechlich Leben ist. Erst viel später wächst daraus eine folgenschwere Erkenntnis: Sein Leben verdankt er einem Gott, der ihn bewahren und nicht zerstören will. Wer so denkt, kann den eigenen Lebensängsten besser Paroli bieten, muss sich von ihnen nicht beherrschen lassen. Luther hat es so formuliert: „Ein feste Burg ist unser Gott, ein´ gute Wehr und Waffen…“

31.10.2016
Pfarrerin Marianne Ludwig