Aging Booth

Wort zum Tage
Aging Booth
15.08.2019 - 06:20
13.06.2019
Barbara Manterfeld-Wormit
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Finger weg! Mit diesem Verbot beginnt die Menschheitsgeschichte in der Bibel. Und Eva kann es nicht lassen – greift nach der Frucht vom Baum der Erkenntnis im Paradies und Adam dann ebenso – weil es zu verlockend ist davon zu kosten – verlockend, zu sein wie Gott. Dafür lohnt es sich, Grenzen zu überschreiten, selbst dann, wenn man dafür am Ende aus dem Paradies fliegt. Heute ist die Versuchung nur einen Klick weit entfernt. Aging Booth heißt die App, der Partyspaß des Sommers: Lade die App herunter und schon kannst Du Menschen um Jahrzehnte altern lassen: deine Freunde, Familienangehörige, deine Kollegen, Prominente und Politiker. Einfach ein Foto herunterladen, und mit einem speziellen Bildbearbeitungsprogramm altert die betreffende Person im Handumdrehen. Ein perfektes Vergnügen für junge Leute – gemischt mit einer Prise Erschrecken. Und irgendwie verschafft es auch Genugtuung, wenn man sieht, wie auch die Schönen und Erfolgreichen altern. Keiner bleibt ewig jung, auch William und Kate oder Amal Clooney bekommen Falten. Auf dem Display im Bruchteil einer Sekunde. Je älter man selber ist, desto mehr vergeht einem das Lachen bei diesen Spielchen. Ein leiser Schock stellt sich bei mir ein, als meine Kinder aufgekratzt Fotos präsentieren, auf denen der 15jährige Sohn Falten und Glatze und die 13jährige Tochter plötzlich Krähenfüße hat. Ich mag diesen Ausblick in die Zukunft nicht. Und vor allem will ich nicht wissen, wie ich selber in dreißig Jahren aussehen werde. Vielleicht, weil einem ab 50 die eigene Unbekümmertheit gegenüber dem Alter verlorengegangen ist. Man ist ja quasi schon persönlich betroffen. Und hat genug damit zu tun, die schleichenden Veränderungen am eigenen Körper wahrzunehmen. Sie irgendwann gelassen zu akzeptieren. „Alle Tage waren in dein Buch geschrieben“, heißt es im 139. Psalm: „die noch werden sollten und von denen keiner da war.“ – Die Bibel zeichnet damit ein Bild von Gott, dem Schöpfer, das gar nicht weit entfernt ist von der Aging App. Es sagt aus: Einer kennt meine Wege, weiß, wer ich bin und wer ich sein werde – „Eingang und Ausgang – Anfang und Ende liegen bei Dir, Herr, füll du uns die Hände!“ heißt es passend dazu in einem Kanon aus dem Evangelischen Gesangbuch. Ich singe dieses Lied gern. Und empfinde es dabei als Gnade, nicht alles zu wissen – die Hände getrost lassen zu können von dem, was nicht in meiner Hand liegt. Eingang und Ausgang – ein Segen, dass das Alter dazwischen nicht brutal auf einen Click erfolgt, sondern behutsam, auf leisen Sohlen. So dass die anderen nicht schallend lachen, sondern jeder sich gewöhnen kann. Wir können getrost das Leben im Hier und jetzt genießen, mit dem Gott uns die Hände füllt.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

13.06.2019
Barbara Manterfeld-Wormit