Anspruch auf Natur?

Wort zum Tage

Gemeinfrei via Unsplash/ Daniel Mingook Kim

Anspruch auf Natur?
von Marie Marondel
23.08.2023 - 06:20
04.07.2023
Marie Marondel
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Vor einigen Monaten war es wieder so weit. Die Beschreibung eines Wanderweges versprach mir genau das, was ich brauchte: Wald und Seen. Besonders spannend fand ich, dass man hier angeblich häufig auch auf einheimische Tiere treffen würde.

Es war ein wunderschöner Wanderweg. Ich hörte, wie das Schmelzwasser aus den Bergen laut den Bach herunter rauschte und blickte über die großen Seen, wie sie in der Sonne glitzerten. Immer wieder blieb ich für eine Weile ruhig stehen, schaute mich um und wartete. Ich verbringe gerne Zeit in der Natur. Mir hilft das, um abzuschalten und meine Gedanken zu sortieren. Die frische Luft bringt meinen Kreislauf wieder in Schwung. Und wenn ein Eichhörnchen über den Weg huscht oder ein Fisch an der Wasseroberfläche schnappt, füllt sich mein Herz. Ich habe dann das Gefühl, ein Teil dieser schüchternen Natur zu sein.

Die Wanderung neigte sich dem Ende zu, aber die versprochenen Waldtiere hatte ich nicht erblickt. Ich musste akzeptieren, dass es heute nicht hatte sein sollen, und war ein bisschen enttäuscht.

Meine Enttäuschung machte mich stutzig. Offensichtlich hatte ich eine Erwartung, die nicht erfüllt wurde. Als hätte ich einen Anspruch darauf, dass sich die Tiere des Waldes Zeit für meinen Wandertag nehmen und sich dazu gesellen.

Ist die Natur für mich da? ‚Macht Euch die Erde untertan‘, steht im Schöpfungsbericht. (Gen 1,28) Und vielleicht war da in mir - unausgesprochen und tief versteckt - der Gedanke, dass meine „Untertanen“, um bei den Worten der Bibel zu bleiben, mir natürlich ihre Aufwartung machen, wenn ich mich schon in die Natur begebe. Und ich fürchte, diesem Missverständnis unterliegen viele Menschen. Die Natur, Pflanzen und Tiere, leiden unendlich in unserer westlichen Zivilisation.

Im Schöpfungsbericht der Bibel erhalten die Menschen den Auftrag, die Erde ‚zu bebauen und zu bewahren‘ (Gen 2,15) und allen Tieren einen Namen zu geben (Gen 2,19). Die Menschen erhalten auch den Auftrag über die Tiere zu ‚herrschen‘. (Gen 1,28) Herrschaft bezeichnet ein Machtgefälle. Macht zu haben, bedeutet aber vor allem, Verantwortung zu übernehmen und verantwortlich zu handeln.

Über die Tierwelt zu ‚herrschen‘, ist ein Auftrag zur Fürsorge: Das bedeutet in diesem Fall die Tierpopulation und die Pflanzenvielfalt zu erhalten; natürliche Lebensräume zu gewährleisten und eine Umwelt zu schaffen, in der Mensch und Tier je ihren Freiraum haben und Pflanzen in aller Vielfalt gedeihen. Wo auch immer ich kann, will ich helfen, das zu ermöglichen.

 Es gilt das gesprochene Wort.

 

Literatur dieser Sendung:

  1. Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
04.07.2023
Marie Marondel