Der Tod und der Trost

Der Tod und der Trost
Pastoralreferentin Lissy Eichert
02.11.2019 - 23:35

Es war auf dem Friedhof, bei einer Beerdigung. Dieser Moment am offenen Grab. Der Sarg des Verstorbenen, eines Vierzigjährigen, war in die ausgeschachtete Grube hinabgelassen worden. Als erste trat die junge Witwe an das Grab. Für viele ist es der schwerste Moment bei einer Beerdigung: der Schritt an die Grenze, dieser Blick nach unten, in dieses Erdloch. Weil hier der Tod und die Trennung von einem vertrauten Menschen so brutal deutlich werden. Und da, in diesem Moment, hörten wir die Frau sagen: "Hier isser nicht!" Ihr Mann ist nicht hier, nicht in dieser Grube. Ich musste schmunzeln über ihre berlinisch- burschikose Art und die Feststellung: "Hier isser nicht." Ja, wenn er nicht hier ist, wo ist er dann?

Niemand mag den Gedanken, einmal sterben zu müssen. Das eigene Ende löst mulmige Gefühle aus. Den Wunsch, das Leben möge ewig währen. Oder auch die Enttäuschung: "Das kann es doch nicht gewesen sein!" In der Konfrontation – am offenen Grab – wurden der Witwe die Augen über die Grenze hinaus geöffnet. Ein lichter Moment. Ihr wurde Trost geschenkt: Hier ist er nicht; hier liegt nur die sterbliche Hülle.

Der November ist der Monat mit dem "Trauerflor". Heute ist das der Gedenktag Allerseelen. Viele besuchen die Grabstellen ihrer Angehörigen, schmücken sie mit Blumen, stellen Kerzen hin.  Am Monatsende folgen dann der Volkstrauertag und der Totensonntag, der – viel schöner – Ewigkeitssonntag heißt. Das Gedenken an alle Verstorbenen: an Angehörige und Freunde, an Menschen, mit denen wir es schwer hatten, an alle, an die niemand mehr denkt. In manchen Regionen wird das Miteinander-Kaffee- trinken nach der Beerdigung "Tröster" genannt. Stimmt. Es tut der Seele gut, in der Trauer nicht allein zu sein.   Doch irgendwann ist die Anteilnahme zu Ende. Menschliche Zuwendung kann diesen leeren Platz im Herzen nur bedingt füllen. Was tröstet wirklich? Ist der Glaube an ein Leben nach dem Tod ein Trost oder doch bloß Vertröstung? Der Atheismus scheint da so realistisch: Der Tod ist das Ende. Aus die Maus.

Interessant finde ich, dass Jesus auch von einem Tröster spricht. Er sagt, dass der Heilige Geist die Jünger und Jüngerinnen nach seinem irdischen Abschied trösten wird. Ist das spooky? Fantasy?

Ich kenne beides: die innere Leere, die Trockenheit der Seele – und dieses Gespür der Nähe Gottes, die mich aufbaut. Dass dieser versprochene Heilige Geist da ist, mir eine neue Sicht eröffnet. In Gedanken kann ich die Beziehung zum Verstorbenen aufrecht halten; im Herzen bleibt die Verbindung zueinander. Eine Ahnung von Ewigkeit scheint auf, dass der Partner, die Freundin, nicht einfach tot sind, sondern "hinübergegangen". In eine andere Dimension.

Wenn Tränen getrocknet werden, Friede ins Herz kommt, kann ich den Heiligen Geist spüren. Und begreife einmal mehr, dass Liebe stärker ist als der Tod. Dieser Trost ist real und deshalb bitte ich immer wieder um den Heiligen Geist. Es ist das ultimative Geschenk Gottes, am Ende das ewige Glück zu finden. Vielleicht wurde diese Gewissheit der Frau am Grab ins Herz geschenkt: Hier ist er nicht.