Ein altes Wort: erquicken. Schon die Buchstaben bewirken, was das Wort besagt: Das Q und das "ck" lassen das Zwerchfell hüpfen. Das erfrischt die Kraft am Ende einer Arbeitswoche.
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Wenn ich morgens aufwache, bin ich oft noch müde. Ich sehne mich dann nach etwas, für das es ein altes Wort gibt: erquicken. Das wünsche ich mir nach einer Arbeitswoche, die viel meiner Wochenkraft aufgebraucht hat. Erquicken drückt schon lautmalerisch das aus, worum es geht. Erquicken. Das vermittelt etwas Frisches. Die Buchstaben Q und CK lassen das Zwerchfell hüpfen. Q – cK.
Erquicken und Erfrischen sind Geschwister. Bei beiden Wörtern kommt etwas von außen, das neue Kraft und Vitalität gibt. Erfrischen kenne ich vor allem als eine Beschreibung für eine Reaktion des Körpers. Den erfrischt eine Dusche, ein Glas sprudelndes Wasser, die kühle Morgenluft.
Erquicken dagegen geht weiter in den seelischen Raum. Es verwandelt von innen heraus. In der Bibel im Psalm 23 steht: "Gott erquickt meine Seele." Da wird Gott beschrieben als guter Hirte, als gute Hirtin. "Gott weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser." Und dann kommt: "Gott erquickt meine Seele."
Ich habe meine Konfirmand:innen diese Verse immer auswendig lernen lassen. Weil es so einprägsame, heilsame Bilder sind. Gott, die alles bestimmende Wirklichkeit, Schöpferin allen Seins. Neumacherin der Seele.
Ich finde, das ist ein gutes Kriterium für Religionen: Sie sollen erquicken. Menschen mit ihren eigenen Quellen verbinden, mit Gott und untereinander. Sie in einen Zustand versetzen, in dem Flow-Erlebnisse wieder möglich werden.
Im Kleinen erlebe ich das bei Elsa. Elsa ist eine alte Dame und eine Art Ersatzgroßmutter für mich. Sie lebt in einem Einfamilienhaus. Ihr Sohn hat ihr vor einiger Zeit gut zugeredet, sie solle die untere Etage ihres Hauses vermieten. Dann ist doch jemand da, wenn mal was ist. Elsa ist skeptisch gewesen, hat sich aber auf das Experiment eingelassen. Ein junges Paar ist unten eingezogen.
Bald danach wurde die Frau schwanger. Viele haben Elsa bedauert: Jetzt geht bald die Schreierei los in der Nacht. War auch so. Aber Elsa ist wie ausgewechselt gewesen. Es war, als würde das neue Leben im Haus ihr neue Kraft geben. Der Säugling unter ihrem Dach hat sie erquickt. Elsa hat viel mehr Zeit im Garten verbracht, um mit der Kleinen zu spielen. Sie hat gestrahlt, sobald sie das Kind gesehen hat. Die Lütte ihrerseits hat Elsa ins Herz geschlossen.
"Sie ist nochmal richtig aufgeblüht", hat ihr Sohn zu mir gesagt. So etwas ist Erquicken. Eine Verwandlung zu dem, was ein Mensch sein kann. Denn Elsa ist früher sehr gesellig gewesen. Aber im Laufe der Zeit war sie zu viel Zeit allein. Jetzt hat das Leben ihr wieder gepasst. Sie war nicht mehr vor allem auf sich geworfen, sondern wieder in Verbindung.
Im Erquicken ist Bewegung drin. Es ist kein passives Ausruhen, sondern hat Energie, sogar etwas Leidenschaftliches. Erquicken zieht nach oben. So wie wenn jemand abgeschlafft war und plötzlich aus dem Stuhl aufspringt. Beim Erquicken docken Menschen an Lebensenergie an. Sie finden einen Ort, an dem ihre Kompetenzen zählen, wo sie gefragt sind. Sie kommen wieder in Resonanz. Da findet eins zum anderen.
Seit der Geschichte mit Elsa denke ich öfter daran, wo solche Elemente um mich herum sind, die zusammenfinden können und frische Energie geben. Ich bin sicher, dass in uns allen reichlich Erquickungspotenzial steckt. Viele Zutaten und Vorstufen davon. Wahrscheinlich müssen wir sie nur rausholen und miteinander kombinieren.
Es gilt das gesprochene Wort.
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