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Die Sendung zum Nachlesen:
Das Jahr ohne Frieden – so hieß eine Veranstaltung zum Jahrestag des Beginns des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine. Das Jahr ohne Frieden – was für eine Überschrift! Und es stimmt ja leider: Der Krieg dominiert das Jahr weit über diesen Jahrestag hinaus. Er zerstört täglich Häuser und Menschenleben, er bringt furchtbares Leid über unzählige Menschen. Er greift in unser Leben ein. Die Folgen sind spürbar durch Inflation und Kostenexplosion. Der Krieg rührt an unser Gemüt, weil Angst und Sorge um Gegenwart und Zukunft sich nicht einfach abschütteln lassen. Und trotzdem leistet irgendetwas in mir Widerstand gegen diese Überschrift: Das Jahr ohne Frieden. Das klingt ja, als sei er unwiederbringlich verschwunden aus unserem Leben, als gäbe es ihn nicht mehr bei uns, den Frieden, als sei er weitergezogen irgendwo hin, wo ich ihn nicht sehe und niemand ihn spürt.
Ein Jahr ohne Frieden: Ich will das nicht so stehen lassen, denn Friede war und ist ja trotzdem, vielleicht gerade jetzt. Zugegeben: Er hat es nicht leicht in dieser Wirklichkeit. Er geht eher unauffällig und auf leisen Sohlen durch die Tage. Seine Stimme wird übertönt von Raketen und Panzergedröhn und aufgeheizten Debatten um Waffen- und Panzerlieferungen. Ich bin der festen Überzeugung: Friede – er wohnt trotzdem noch bei uns. Er ist immer noch da wie Jesus es seinen Jüngern versprochen hat beim Abschied, als er sagte: Meinen Frieden lasse ich Euch, meinen Frieden gebe ich Euch! Vielleicht ist gerade diese Gewissheit ein Weg, um dem Gefühl der Ohnmacht zu entkommen, die sich einstellt, wenn ich die Kriegsbilder in den Nachrichten sehe. Abends vor dem Einschlafen – zuhause auf dem Sofa. Ich kenne nicht wenige, die darum weniger oder gar keine Nachrichten mehr sehen: weil dieses Gefühl so übermächtig ist, nichts ändern zu können an alledem. Ich kann diese Haltung verstehen, eine Lösung scheint mir das dennoch nicht: Wir können den Krieg zwar für einen Moment ausblenden, doch bleiben tut er trotzdem. Dagegen steht diese Verheißung: Jesus lässt Frieden in dieser Welt – trotz Tod und Gewalt, die er durchleiden muss. Er lässt seinen Frieden hier bei uns, damit wir etwas draus machen, damit wir ihn weitertragen und aus der Kraft des Friedens leben – jeden Tag.
Frieden machen – wo fängt das an? Nicht bei den Mächtigen der Welt. Frieden, so hat Jesus es vorgelebt, beginnt im Kleinen - mitten im Alltag. Leise und oft unbemerkt. Jeden Tag habe ich die Chance, ihm zu begegnen, auf ihn zuzugehen oder ihn ziehen zu lassen. Jeden Tag habe ich die Wahl, ob ich ihn einlade, bei mir Gast zu sein. Jeden Tag. Was Jesus sagt, gilt auch für mich: Ich kann Frieden lassen da, wo ich bin und lebe und arbeite, oder Unfrieden. Ich kann Frieden geben oder das genaue Gegenteil. In jeder Beziehung, die wir eingehen, liegt die Möglichkeit zu beidem: Wut und Hass oder Frieden und Verständigung. Ich kann ausrasten, wenn die Kinder morgens nicht so funktionieren wie gewünscht. Ich kann schimpfen über den Bus, der sich verspätet und meinen Frust am Fahrer auslassen. Ich kann direkt einen wütenden Kommentar absetzen, wenn mir ein Beitrag auf Facebook nicht gefällt. Ich kann nicht zuletzt mit mir selber in Unfrieden leben – oder großzügig sein und mir mit Annahme und Zuneigung begegnen. Ich kann Frieden üben, jeden Tag.
Dann atme ich tief durch, ehe ich zu schimpfen anfange. Nehme mir Zeit, obwohl eigentlich morgens keine ist, und tue alles für einen sanften Start in den Tag. Ich sehe die Lebensumstände der anderen, ehe ich urteile und Dampf ablasse. Ich bin gnädig – zu anderen und zu mir selber. Jeden Tag eine kleine Friedensübung – sie passt gut in diese Passionszeit, gerade in diesem Jahr: Ich gebe Frieden wo ich kann. Ich lasse ihn zurück, wenn ich gehe. Ich mache ihn groß in meinem Leben und in dem von anderen. Ich freue mich, wenn Frieden gelingt, egal wie winzig er ist. Ich erzähle davon weiter. Ich habe Gedanken des Friedens. (Jeremia 29,11)
Es gilt das gesprochene Wort.