Sendung zum Nachlesen
Ein Bild wollte ich mir machen. Klar sollte es sein – und deutlich. Klar und deutlich das Foto selber. Klar und deutlich auch seine Aussage. Wer es sieht, der soll sagen können: Ja, das ist er. Und gerade so ist er auch. Ein treffendes Bild also. Schlüssig und selbstredend auch ohne Worte.
Um das Bild aufzunehmen, ging ich in eine Kirche. Für mich ist sie nicht irgendeine, immerhin wurde ich dort getauft und konfirmiert. Eine lutherische Kirche. Wenige Jahre nach meiner Konfirmation ging ich in die evangelisch-reformierte Gemeinde. Dort gab es weder Bilder noch Figuren, die ich hätte fotografieren können, außer dem Raum selber und diesem oder jenem historischen Utensil. "Wir sind bewusst reformiert", sagte der Pastor. Und dazu gehörte auch, das Gebot zu achten, welches Luther für überholt hielt: Du sollst dir kein Bildnis machen.
Ich also marschiere in meine alte lutherische Kirche, setzte das Tele auf den Fotoapparat und suche mir eine günstige Position. Das ist gar nicht so einfach, denn er hängt hoch am Altaraufbau. Er schließt ihn in gewisser Weise ab: Gott Vater mit einem freundlichen Gesicht und mit weit ausgebreiteten Armen. Wie der Vater in der Geschichte, die Jesus einmal erzählt. Da läuft der Vater mit offenen Armen auf den heimkehrenden, verloren geglaubten Sohn zu. Ein Bild, das genau das darstellt, was Jesus lebt. Und zugleich zeigt es den, auf den er verweist: Seinen himmlischen Vater. Genau das ist das treffende Bild.
Von früher, aus Kindertagen, kann ich mich an diese Figur gar nicht erinnern. Ich hatte sie, ich hatte ihn, diesen freundlichen und herzlichen Gott, dort gar nicht wahrgenommen. Meine Aufmerksamkeit galt manch anderem, das mir heute gar nicht mehr wichtig ist. Erst in der Broschüre zum Jubiläum dieser Kirche entdeckte ich ihn. Ein früherer Pastor schrieb dazu: "was ich aus der Kirche mitnehme, ist die Erinnerung an die offenen Arme Gottes ganz oben im Altar, als wollte Gott sagen: Auf meine Liebe kannst du dich verlassen. Und ich selber wüsste auch nicht, wie ich sonst vor ihm bestehen könnte, wenn am Ende nicht diese liebenden Arme Gottes wären."
Ist das nicht das Wichtigste, wozu doch eigentlich diese ganze Kirche dienen und worauf sie weisen sollte: Gottes Erbarmen für seine Menschen? Seine offenen Arme…
Die jedenfalls habe ich jetzt festgehalten in einem Foto. Nun habe ich ein Bild davon. Von dem, der der wichtigste ist. Und der auch mir das wichtigste bringt: Gottes Erbarmen. Seine Liebe und Nähe.
Darf man sich ein Bild machen von Gott? Ich weiß, das ist in der christlichen Kirche umstritten. Sogar die Kirchen der Orthodoxie des Ostens waren bis zum Entscheid des Bilderstreites für die Bilder keinesfalls sicher, in den Ikonen Tore des Heiligen zu sehen. Dass uns also durch ein Bild hindurch Gottes Heiligkeit entgegenzutreten vermag, mehr noch, uns in sie aufnimmt.
Martin Luther fand gerade diesen Zugang zu Gott im Bild Jesu Christi. Der wurde ihm zum Bild Gottes. Mit Jesus Christus gibt Gott uns ein Bild von sich. In dem wird er uns erkennbar und stellt sich zu uns Menschen. Und genau dieses Bild erkenne ich nun auf meinem Foto. Diesen freundlichen Gott, der die Arme öffnet und mir entgegen eilt. So wie dem heimkehrenden, schon tot und verloren geglaubten Sohn im Gleichnis. Und Jesus, der dies Gleichnis erzählt, ist ja nichts anderes als das Herauslaufen des Vaters zu uns Menschen, die wir Gott verloren haben. Jesus geht diesen Weg, der in Leiden, Sterben und Tod führt. Darum geht es in dieser Woche, der Karwoche, der Woche des Wehklagens. Aber getragen und gefüllt ist diese Zeit und ist dieser Weg nicht nur von Jammer und Leid, sondern von der Freude über das Zuwenden Gottes zu seinen Menschen. Er sucht uns auf, die wir so oft in Finsternis sitzen und alle miteinander im Schatten des Todes und richtet unsere Füße auf den Weg des Friedens (Lk 1,79).
Und das ist Jesus für mich. Er ist das Herauslaufen Gottes zu allen Menschen, auch zu mir. Er ist nichts weniger als Gottes weit ausgebreitete Arme.
Es gilt das gesprochene Wort.