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Die Sendung zum Nachlesen:
Josef tröstet seine Brüder und redet freundlich mit ihnen.
Dieser Satz aus dem ersten Buch Mose (Gen 50,21) ist die Losung für den heutigen Tag. Seit fast 300 Jahren gibt die Herrnhuter Brüdergemeine die Losungen heraus: zwei Bibelverse; ein Vers wird aus dem Alten Testament ausgelost, ein zweiter aus dem Neuen Testament.
Die Losungen sind einige wenige Worte, hinter ihnen liegt der Reichtum der Bibel und ihrer Geschichten. Hinter der heutigen Losung steckt das Happyend einer Familiengeschichte aus Hass und Eifersucht. Dass Josef am Ende seine Brüder tröstet und freundlich mit ihnen redet, war ein langer Weg.
Josef wächst in einer Patchwork-Familie auf. Er hat elf Brüder und drei Stiefmütter. Seine Mutter stirbt bei der Geburt seines jüngsten Bruders. Als zweitjüngster ist Josef der vorletzte der Familienhierarchie. Zehn größere Brüder! Bei ihnen muss Josef sich durchsetzen, nicht aber bei seinem Vater. Man könnte sagen, Josef ist ein Vatersöhnchen. Und eine Petze, er trägt seinem Vater alles zu, was die Brüder über ihn reden. Als Sohn seiner Lieblingsfrau liebt sein Vater ihn mehr als die anderen und schenkt ihm ein prächtiges Gewand. Falsche Bescheidenheit ist nicht seine Sache und so prahlt er damit stolz vor seinen Brüdern. Und sie haben es ja schon immer geahnt. Josef wird bevorzugt.
Als seine Brüder sehen, dass der Vater ihn mehr liebt als sie alle, beginnen sie ihn zu hassen und können kein freundliches Wort mehr mit ihm reden (1.Mose 37,4).
Hasserfülltes Schweigen. Die Brüder können das nicht auf sich sitzen lassen und schmieden Pläne, sich zu rächen. Beim Schafehüten packen ihn seine Brüder, nehmen ihm das Gewand weg und werfen ihn in eine Zisterne. Für 20 Silberstücke verkaufen sie Josef nach Ägypten. Sie machen Jakob, den Vater, glauben er sei tot. Und wollen den Bruder vergessen.
Jahre sind vergangen. Doch in denen hat Josef es zu etwas gebracht. Er ist Stellvertreter des Pharaos in Ägypten geworden. Da entdeckt Josef seine Brüder unerwartet wieder. Plötzlich stehen sie vor ihm und wollen Getreide kaufen. Wie sollte er ihnen begegnen? Sollte er ihnen vergeben, was sie ihm angetan haben?
Seine Brüder erkennen ihn nicht. Sie sind einander fremd geworden. Eifersucht und Hass haben einen tiefen Graben zwischen Josef und seinen Brüdern gezogen. Wenn er Frieden mit ihnen schließen will, muss er auf sie zugehen. Die Situation ist ungewiss.
Josef bittet seine Brüder in seinen Palast und stellt sich ihnen. „Verlasst alle den Raum“, befiehlt er den Anwesenden. So ist er mit seinen Brüdern alleine, als er sich ihnen zu erkennen gibt (1. Mose 45,1).
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit sucht Josef das Gespräch. Nur die Beteiligten, ganz ohne Schaulustige. „Ich bin Josef“, gibt er sich unter Tränen zu erkennen. Er mutet sich seinen Brüdern zu und denen verschlägt das erst einmal die Sprache. Was würde Josef jetzt tun? Würde er sich rächen? Die Brüder fürchten sich.
„Kommt doch näher!“, sagt Josef. Und in dieser Nähe konfrontiert Josef seine Brüder mit dem, was sie einander angetan haben. Ohne seine frühere Überheblichkeit vergibt Josef den Brüdern. Und auch als Jahre später ihr Vater stirbt und die Brüder Angst bekommen, dass Josef sich doch noch rächt, vergibt er seinen Brüdern und verspricht für sie zu sorgen.
Josef tröstet seine Brüder und redet freundlich mit ihnen.
Hinter der heutigen Losung verbirgt sich für mich ein Beispiel für Vergebung; zu vergeben, selbst wenn man glaubt, im Recht zu sein. Ohne Überheblichkeit. Josef lässt sich nicht von dem Bösen, das ihm widerfahren ist, überwältigen, sondern sucht das Gute.
Josef tröstet seine Brüder und redet freundlich mit ihnen.
Es gilt das gesprochene Wort.