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Es war eine fröhliche Runde, in der man miteinander speiste, trank und sich über Gott und die Welt unterhielt. Der Gastgeber war Jesus. Doch wurde gerade das kritisch beäugt. Jesus vertrat in den Augen seiner Zeitgenossen einen hohen moralischen Anspruch. Dem wurde er offenbar selbst nicht gerecht. Denn es waren keine frommen Leute, mit denen er zu Tische lag. Es waren verachtete Zollbetrüger, die ihn aufgesucht hatten, die Kollaborateure mit der verhassten römischen Besatzungsmacht über das Land. Weiter waren es stadtbekannte Herumtreiber und Schnorrer, die zu ihm gekommen waren. Hätte Jesus diese Leute nicht davonjagen müssen? Aber das Gegenteil trat ein. Jesus aß und trank mit ihnen wie in einem Kreis guter Freunde. „Ist denn so etwas möglich?“ fragten die die frommen Beobachter, die Nachfolger Jesu. Später verschärften sie ihre harsche Kritik an Jesus: Sie bezeichneten ihn als Fresser und Weinsäufer. Dieser hörte davon und stellte seine Kritiker. Jesus verglich sich mit einem Arzt. Zu ihm kommen die Kranken; die Gesunden brauchen ihn nicht. Die Gesunden, das sind offenbar die Priester und Schriftgelehrten, die Jesus bedrängen. Doch Jesus behauptet: Die Menschen, die mit ihm in der Tischrunde zusammensitzen, sind krank. Denn durch ihre Lebensweise geben sie Zeugnis von ihrem inneren Zustand. Die lockere Lebensweise und die Betrügereien beim Zoll sind nur Tünche. Dahinter verbirgt sich das ganze Elend einer menschlichen Existenz. Jesus erkannte dieses Elend und verwandte viel Zeit und Kraft, es zu bekämpfen – auch und gerade, indem er fröhlich war mit ihnen. Damit zeigte er, dass er sich an ihre Seite stellte und kein Urteil über sie fällte. Er spürte die abgründige Trauer, die tiefe Krankheit, die das Leben seiner Gäste versauerte. Dadurch, dass sie mit ihm zusammen waren, tat er ihnen eine Tür auf zur Heilung und zum Trost. Doch vermute ich: Auch die anderen, die frommen Leute hatten ihre Herzenskammern und -keller, in denen sie verzweifelt waren. Sie zeigten sich zwar fromm und folgten den Gesetzen, aber das konnte ihren tiefen Kummer nicht stillen. Es waren das wohl immer auch Versuche, die Krankheit ihrer Seele und ihres Lebens zu überspielen. Doch das wussten sie noch nicht oder ahnten es nicht. Gerade, weil sie es nicht spüren, stehen sie auf gegen den, der es bei beiden sieht, bei den reichen Betrügern am Tisch und bei den Frommen, die abseits stehen. Später stirbt Jesus für beide.
Es gilt das gesprochene Wort.