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Die Sendung zum Nachlesen:
Es gibt Orte, die machen mir Angst. Die meisten davon kann ich meiden. Oder treffe so gut es geht Vorkehrungen, wenn sich der Weg dahin nicht vermeiden lässt. Ich sorge für eine Begleitung durch die dunkle Unterführung oder zumindest für eine Taschenlampe. Ich halte ein Handy griffbereit in der Tasche. Neulich musste ich es abgeben. Wir übertrugen einen Radiogottesdienst aus dem Strafvollzug. Ich war zuvor noch nie in einem Gefängnis. Schlüssel Portmonee, meine Papiere – alles musste ich in eine Plastikwanne legen ehe es durch die Sicherheitskontrolle ging. Alles bekam ich erst beim Rausgehen zurück. Das Gefängnis verfügt über eine Kapelle. Der Weg dorthin führte durch riesige Gänge – über mir lagen die Zellen der Häftlinge. Die Gefangenen, die am Gottesdienst teilnehmen durften wurden später durch die Vollzugsbeamten zugeführt. Alles eine eingespielte Routine. Und trotzdem lag eine Dauerspannung in der Luft. Und ja, ich gebe es zu: Ich hatte richtig Angst. So etwas ist mir seit langem nicht mehr passiert. Als der Gottesdienst vorbei war und ich durch die Schleuse wieder nach draußen trat, holte ich erst einmal tief Luft. Noch nie war mir bewusster, was für ein kostbares Geschenk die Freiheit ist: Hingehen, wo man möchte, anrufen, wen man will, selbstbestimmt allein sein oder unter Menschen. Anteil haben am Leben draußen. Hinter Gefängnismauern leben, ist und bleibt eine empfindliche Strafe, so angemessen sie sein mag je nach Schwere der Straftat – auch in einem Gefängnis in einem demokratischen Land wie unserem.
Auch Petrus saß im Knast - ohne gerechtes Verfahren, ohne klares Strafmaß, ohne Aussicht auf Freiheit. Es war die Zeit der Christenverfolgung. Um diese Zeit legte der König Herodes Hand an einige von der Gemeinde, sie zu misshandeln. Er tötete Jakobus mit dem Schwert … und nahm auch Petrus gefangen, heißt es in der Apostelgeschichte und man ahnt: Das muss die Hölle gewesen sein: Der eigenen Freiheit beraubt, ohne Licht und Kontakt nach außen – und im Gegensatz zu den Häftlingen in der von mir besuchten Haftanstalt schuldlos. Das bedeutet tiefstes Leiden. Tiefste Passion. Das, was auf Jesus damals auch zukam in Jerusalem und woran wir uns in diesen Tagen der Passionszeit erinnern.
Dieses Schicksal erleiden auch heute Menschen weltweit. Aufgrund ihres Glaubens, aufgrund ihrer Hautfarbe, aufgrund unliebsamer Überzeugungen, weil sie sich den Mund nicht verbieten und sich die Freiheit nicht nehmen lassen, um für die Menschenrechte auf die Straße zu gehen. Sie verschwinden aus der Öffentlichkeit. Sie werden weggesperrt. Sie werden gefoltert. Ohne ein richtiges Verfahren. Ohne Verteidigung. Manche verschwinden für immer. So wurde nun Petrus im Gefängnis festgehalten; aber die Gemeinde betete ohne Aufhören für ihn zu Gott, erzählt die Apostelgeschichte weiter. Menschen nutzen ihre Freiheit. Sie machen öffentlich, was passiert ist: Sie beten, sie nerven, sie hören nicht damit auf. Sie halten die Erinnerung an den Gefangenen aufrecht. Was dann geschieht erinnert an Ostern: Ein Engel erscheint Petrus und bringt Licht in den dunklen Kerker, wo Petrus schläft – angekettet an zwei Soldaten, die ihn schlafend bewachen. Er weckt ihn auf, die Ketten fallen von ihm ab. Der Engel geht voran, vorbei an den Wachen, unbemerkt. Die Tore öffne sich. Petrus ist frei. Ein Wunder. Ein Teil von diesem Wunder ist durchaus real. Heute ist der bundesweite Tag für die Freiheit politischer Gefangener. Menschen organisieren sich, damit das Unrecht ans Licht kommt, damit unschuldig Inhaftierte nicht vergessen werden. Medien berichten. Und ja: Menschen beten. Immer noch. Immer wieder. In der Berliner Gethsemanekirche täglich in Zeiten der Wende für DDR-Häftlinge und heute für Inhaftierte in Syrien und der Türkei. In der St. Annenkirche in Berlin-Dahlem betete die Gemeinde wochen- und monatelang für ihren inhaftierten Pfarrer und Widerstandskämpfer Martin Niemöller. Ein bisschen Ostern geschieht: Auch wenn nicht überall die Ketten fallen. Auch wenn nicht jeder Protest zur Freilassung führt: der Kontakt wird dadurch aufrechterhalten. Menschen werden nicht einfach vergessen. Unrecht kommt ans Licht. Und Licht leuchtet auf im Gefängnis, ein kleiner Ausblick vielleicht nur auf mit das Kostbarste, was wir haben: unsere Freiheit.
Es gilt das gesprochene Wort.