Politisches Nachtgebet
Zu einem Politischen Nachtgebet für die Demonstrierenden im Iran hatte die Synode, das oberste Leitungsgremium der Evangelischen Kirche im Rheinland, nach Düsseldorf eingeladen. Rund 200 Menschen waren in die St. Albertus Magnus-Kirche gekommen an diesem 18. Januar.
Das ökumenische Politische Nachtgebet hat eine lange Tradition. 1968 fand es erstmals auf dem 82. Deutschen Katholikentag in Essen statt. Zu den Begründerinnen gehörte auch die bekannte evangelische Theologin Dorothee Sölle. Politische Nachtgebete verbinden Information, Meditation und Aktion.
„Baraye zan, zendegi, azadi“ ertönt im Kirchenraum. Gesungen von der iranisch-deutschen Sängerin Schirin Partowi, „für Frau, Leben, Freiheit“. In diesem Lied von Shervin Hajipour klingt der Protest gegen das iranische Regime durch die Düsseldorfer Kirche. Der Protest für das Tanzen auf Straßen, für Studierende, für die Zukunft, für alle, die verhaftet, misshandelt und zum Tode verurteilt werden.
„Krieg gegen Gott“ wirft das heutige Regime den Demonstrierenden vor und verurteilt viele zum Tod. „Das ist eine Justiz, die den Namen Gottes missbraucht, um das eigene Volk zu unterdrücken“, sagt Thorsten Latzel, der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. (1) Ihre Synode verurteilt in einer Solidaritätserklärung das „himmelschreiende Unrecht und die schweren Menschenrechtsverletzungen“ im Iran. „Wir bewundern den Mut, sich der Gewalt mit dem eigenen Leben entgegenzustellen“, hält sie fest. (2)
Albträume sind die Realität
Mucksmäuschenstill ist es in der Düsseldorfer Kirche, als die im Iran geborene Diplom-Pädagogin Shabnam Arzt erzählt. Sie ist von der Initiative „Frau.Leben.Freiheit. Solingen für den Iran“. Sie steht hier, „weil es mir ein Herzensanliegen ist, den Menschen im Iran eine Stimme zu geben, die Revolution sichtbar und hörbar zu machen.“
Schon als kleines Mädchen hat sie Angst vor den Revolutionsgarden im Iran. Abends steht sie am Fenster und wartet auf ihren Vater. Immer in der Angst, er könnte verhaftet worden sein, er könnte nicht wiederkommen. „Ich bin mit neun Jahren aus dem Land raus, das war 1983. Und tatsächlich ist es so, dass ich immer noch manchmal Albträume habe, dass ich im Land bin und nicht rauskomme.“
Viele Exil-Iranerinnen und -Iraner erinnern sich an solche und ähnliche Situationen. Die eine merkt auf dem Weg zur Schule, dass sie das Kopftuch vergessen hat und hat Angst vor den Sittenwächtern. Der andere feiert mit Freundinnen und Freunden eine Party und wird inhaftiert.
Widerstehen und hoffen
Shabnam Arzt weiß, wovon sie spricht, wenn sie im Nachtgebet über die Frauen im Iran sagt: “Wir werden nicht aufhören, bis dieses Regime weg ist. Welch ein Mut, wie großartig sind diese Frauen.“ Und weiter: „Dieses Mal sind alle Bevölkerungsschichten auf der Straße. Frauen, Männer, Kinder, … alle sagen: Wir wollen nicht mehr. Wir wollen ein selbstbestimmtes Leben. Deswegen ist meine Hoffnung groß. Und ich hoffe, dass es nicht mehr so blutig verläuft wie bis jetzt.“
Seit Jahrzehnten Jahre leiden die Menschen im Iran. Shabnam Arzt schärft den Versammelten ein, es komme darauf an, jetzt wirklich hinzuschauen, „dass wir im Westen die wirtschaftlichen Interessen einmal vergessen und die Menschenrechte wirklich hochhalten.“ Jede und jeder kann etwas dafür tun – durch die Weitergabe von Informationen, Petitionen an die Politiker:innen und vieles mehr. „Das ist mein tägliches Gebet“, sagt sie: Herr, erbarme dich! Denn aus eigener Erfahrung weiß ich, dass er sich erbarmen wird. Das ist meine große Hoffnung.“
Mit Shabnam Arzt, mit meinen Glaubensgeschwistern in der Evangelischen Kirche im Rheinland und mit unzähligen anderen Menschen will ich an der Hoffnung für Leben und Freiheit im Iran festhalten.
„Danke, Düsseldorf“, schreibt mir ein Freund aus dem Iran, als ich ihm von dem bewegenden Abend in der Düsseldorfer Kirche schreibe. Wir kennen uns seit dem Studium. Damals habe ich viele Studierende aus dem Iran kennen gelernt. Der Freund, heute ein deutscher Staatsbürger, wünscht sich wie viele andere aus seinem Land nichts sehnlicher, als mit der ganzen Familie vereint und in Freiheit das persische Neujahrsfest zu feiern. Ein Frühlingsfest mit Picknick im Grünen.
Quellen:
( 2 ) https://landessynode.ekir.de/beitrag/landessynode-bekundet-solidaritaet-mit-protestierenden-im-iran/