Morgenandacht
Gemeinfrei via unsplash/ Jim Wilson
U-Turn
Morgenandacht von Landespfarrerin Petra Schulze
24.04.2024 06:35

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Die Sendung zum Nachlesen: 

Ein gutes und zufriedenes Leben führen. Dazu gehören Familie und Freunde. Was aber, wenn meine Familie instabil ist und mir die Freunde zum Verhängnis werden?

So wie bei ihm. Seine Mutter ist Alkoholikerin. Der Vater – nicht da. Das geht nicht gut. Immer wieder muss das Jugendamt einschreiten. Trotzdem schafft er irgendwie die Schule und bekommt sogar einen guten Ausbildungsplatz.

Zwischen ihm und seiner Mutter eskaliert es immer öfter. Es geht nicht mehr. Obwohl er noch nicht volljährig ist, zieht er zu seiner Schwester. Da ist es zu eng. Nicht wirklich Platz für ihn. Im Viertel lernt er Leute kennen, die er gut findet. Sie bieten ihm an: „Zieh doch zu uns.“ Das macht er. Und das gefällt ihm. Endlich selbständig.

Die Leute sind aus der Neonazi-Szene. Er nimmt an deren Veranstaltungen teil und verbringt seine Freizeit mit ihnen. Er ist ein guter Kumpel. Für die Szene und auf der Arbeit. Sein Ausbildungsleiter ist begeistert, wie er sich reinhängt in die Arbeit. Doch dann hört der Ausbildungsleiter über andere Mitarbeitende: „Du, Dein Azubi war bei einer rechtsextremen Kundgebung.“

In der Firma ist ganz klar: Rassismus, minderheitenfeindliche und völkisch-nationalistische Einstellungen, die haben hier keinen Platz. Der Ausbildungsleiter und eine weitere Vorgesetzte holen sich Rat. Bei dem Projekt „U-Turn“ – Wege aus dem Rechtsextremismus und Gewalt. Ein U-Turn ist ein Wendemanöver um 180 Grad beim Autofahren oder Skateboardfahren. Eine Kehrtwende.

Das Projekt „U-Turn“ unterstützt die Vorgesetzten im Betrieb dabei, mit dem Auszubildenden zu sprechen. Sie zeigen ihm Wege auf, wie er die Neonazi-Szene wieder verlassen kann. Kein leichter Weg. Denn vor allem kommt es ihm auf die Freundschaften und Bekanntschaften dort an – nicht auf die rechtsextremen Inhalte.

Aber er will seinen Ausbildungsplatz nicht verlieren. Den braucht er, das weiß er, um ein selbständiges und gutes Leben führen zu können. Vom Betrieb aus hilft man ihm, eine Wohnung zu finden. Und er sucht und findet neue Freundschaften im Bereich seiner Hobbies. Er schließt seine Ausbildung ab. Beim Projekt „U-Turn“ lernt er zu verstehen, wie menschenfeindlich die Gedanken in der Neonazi-Szene sind. Die Leute von „U-Turn“ stehen ihm noch eine ganze Zeit weiterhin zur Seite.

Was ich hier so kurz erzähle, ist ein langer Prozess, der auch nicht immer gelingt. Es braucht ein ganz neues und stabiles soziales Netz für jemanden, der in eine solche Szene hineingerät. Sonst droht wie bei Drogen der Rückfall. Er kann jetzt selbstbewusst entscheiden, welche Haltungen er für sich annimmt und welche nicht. Ohne den Druck der Gruppe. Weil er fühlt: Zusammen bewegen wir was, ich bin zuhause, ich bin wertgeschätzt und ich kann gut für mich selbst sorgen.

Seit Jahren leisten Projekte wie „U-Turn“ verlässliche Beratungs- und Unterstützungsarbeit. Wie gut, dass der junge Mann seinen U-Turn geschafft hat. Seine Geschichte zeigt, dass man etwas tun kann, wenn jemand abgleitet.

Es gibt kompetente Hilfe. Niemanden verloren geben, das ist für mich eine christliche Motivation. Jemandem zur Seite stehen, bis er eine Kehrtwende weg von Menschenfeindlichkeit schafft und seinen Weg in ein gutes und selbständiges Leben gefunden hat.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Weitere Informationen:

https://www.u-turn-do.de/

https://www.demokratie-leben.de/projekte-expertise/projekte-finden-1/projektdetails/u-turn-wege-aus-dem-rechtsextremismus-und-der-gewalt-beratung-begleitung-praevention-370

https://www.mobile-beratung-nrw.de/