gemeinfrei via unsplash / Pablo Heimplatz
Ins Leben gekuschelt
Die Heilkraft der Berührung
05.06.2025 06:35
Ein zu früh geborenes Zwillingspaar im Brutkasten. Die eine Schwester hat ihren Arm um die andere gelegt. Mythos und Wahrheit hinter diesem Foto, das die Welt seit Jahrzehnten rührt.
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Ein berührendes Foto. Manche behaupten, es sei eine Fotomontage. Weil es zu schön ist, um wahr zu sein.

Zwei sehr dünne Neugeborene liegen im Brutkasten. Die Köpfchen einander zugewandt. Die Zwillinge Brielle und Kyrie. Kyrie hat den Arm um ihre Schwester Brielle gelegt.

Die Geschichte ist erstaunlich. Zwölf Wochen zu früh geboren, entwickeln sich die beiden sehr unterschiedlich. Kyrie gewinnt jeden Tag an Gewicht und Lebenskraft. Brielle geht es nicht gut. Sie ist in einem kritischen Zustand. Da kommt die zuständige Krankenschwester Gayle Kasparian auf eine Idee: Sie legt die beiden zusammen in einen Brutkasten. Kyrie schmiegt sich an ihre Schwester und legt ihren Arm um sie. Brielles Puls normalisiert sich.

Ein Fotograf ist zur Stelle, und das Bild von Kyrie, die ihre Schwester Brielle ins Leben zurückkuschelt, geht um die Welt. Es ist zu einem modernen Mythos geworden, der die Wahrheit beinhaltet: Berührungen haben große Kraft.

Besonders für Frühchen ist es lebenswichtig, berührt und gehalten zu werden, menschliche Wärme zu spüren. Bei der Känguru-Methode wird das zu früh geborene Baby Mutter oder Vater auf die Brust gelegt. So spürt es die Körperwärme und hört den Herzschlag. Es fühlt sich geschützt und sicher. Weil es seine Körperwärme noch nicht halten kann, ist die Wärme wohltuend. Der Herzschlag des Frühchens beruhigt sich, es hat mehr Sauerstoff im Blut. Ist weniger gestresst.

Haut an Haut, in einer liebevollen, sicheren Beziehung – das kann Wunder wirken. Es kann auch Streicheln sein oder dass jemand ganz sanft die Hände auflegt. Es müssen nicht die Eltern sein. An manchen Kliniken gibt es ausgebildete Ehrenamtliche auch aus der christlichen Krankenhausseelsorge. Sie tragen und halten Babys, deren Eltern nicht kommen können. Die Wunderkraft der Berührung.

Jesus, der nach vielen Berichten heilende Kräfte gehabt hat, berührte Menschen, die ihn um seine Hilfe gebeten haben. Er hat sie gesund gemacht durch heilende Gesten. Oft legt er den Kranken die Hände auf. Jesus hat seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern aufgetragen, es auch so zu tun. In der Bibel steht: "Kranke, denen sie die Hände auflegen, werden gesund werden." 

Das ist natürlich kein Automatismus. Es wird nicht jedes Mal eine Wunderheilung geschehen. Aber darin liegen die Erfahrung und das Wissen: Handauflegen ist eine Gabe des Heilens, die in jedem Menschen angelegt ist.

Jede Christin, jeder Christ, jeder Mensch kann das für einen anderen tun, wenn dieser es will und gestattet oder darum bittet. Die Hand halten, die Hände auf die Schultern legen oder sanft auf den Kopf. Die Fußsohlen umfassen oder eine Hand auf den Bauch legen oder auf den Rücken. Wo immer es der Person angenehm ist und sie es wünscht. 

Martin Luther hat gesagt: "Lege dem Kranken die Hände auf und sprich: ‚Friede sei mit dir, lieber Bruder, [liebe Schwester], von Gott, unserem Vater, und vom Herrn Jesus Christus.‘" Mit dem Auflegen der Hände wird der Mensch gesegnet. Man kann auch mit aromatischen Ölen die Stirn oder die Handfläche salben und dabei einen Segen sprechen.

Körper und Seele werden durch die Berührung verbunden. Sanfte Berührungen schaffen Vertrauen. Geben Sicherheit. Erwachsenen wie Frühchen.

Brielle und Kyrie, die Zwillinge von damals aus dem Brutkasten, sind längst erwachsen. 30 Jahre liegt ihre Geburt zurück. Sie sind mit der Geschichte dieses Fotos großgeworden, wie die eine die andere umarmt und ihr so ins Leben hilft. Brielle, die damals Umarmte, hat später gesagt: "Ich glaube, die Geschichte ist deswegen nicht totzukriegen, weil sie einfach gute Laune verbreitet. Es gibt da draußen so viele schlechte Nachrichten jeden Tag. Menschen schreiben mir, dass sie geweint haben, als sie das Bild zum ersten Mal sahen."

Eine Umarmung, die stärkt und gute Laune verbreitet. Heilsame Berührungen, dann und da, wo sie erbeten und gebraucht werden – die möchte ich schenken und mir schenken lassen.

Es gilt das gesprochene Wort.

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