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Die Sendung zum Nachlesen:
Heute ist der 21. November. Die Sonne geht um 7:38 Uhr auf und um 16:05 Uhr wieder unter. Zumindest, wenn man wie ich in und um Berlin herum wohnt. Andernorts sieht es ein bisschen anders aus, aber nicht wesentlich. Hell ist es in diesen Tagen bestenfalls acht Stunden. Meine Jahreszeit, ganz offen gestanden, ist das nicht. Wenn ich morgens aus dem Haus gehe, ist es dunkel. Wenn ich abends heimkomme, ist es dunkel. Und dazwischen trübes Wetter.
Selbst der Blick auf den schönen Brandenburger See direkt vorm Haus, der mich sonst immer entzückt, tröstet mich da wenig.
Kürzlich hatte ich ein Buch in der Hand, das mich in die Heimat meiner Vorfahren mitgenommen hat. Es beschreibt das Leben auf den Höfen in den Tälern des Schwarzwalds. Das Leben so ungefähr vor 70 Jahren. Ein hartes Leben mit viel Arbeit und Mühe. Abhängig von den Jahreszeiten, vom Wetter. Kurze Sommer und lange, schneereiche Winter. Oft gab es ordentliche Fröste, bis weit in den Frühling hinein.
Eindrücklich beschreibt das Buch, wie es in den Novembertagen ab dem Nachmittag Nacht wurde. Dunkel blieb es dann 15 Stunden im November. Und in den kurzen Stunden des Tages wurde es in den Tälern vermutlich auch nicht richtig hell.
Ich stelle mir vor, was ich dann gemacht hätte. Im Schwarzwald, so wird erzählt, haben die Menschen die Nähe gesucht. Sie sind zusammengerückt und haben sich im einzigen Raum versammelt, der überhaupt geheizt war. In der Küche brannte das Feuer im Herd. Längst war nicht jeder Hof elektrifiziert. Wie eh und je versahen Öllampen ihren Dienst. Die Nachbarn und Verwandten kamen zusammen und erzählten sich Geschichten. Vom Dorf, von den Höfen. Großes und Kleines. Alles, was die Menschen gerade beschäftigt und was sie durch das Leben getragen hat. Untätig ist dabei niemand gewesen: Nebenbei wurden Socken gestopft und Säcke geflickt. Das Jahr über war allerhand kaputt gegangen. Es musste in Ordnung gebracht werden, um für das nächste Jahr zu taugen.
Nun: Socken stopfen und Säcke flicken ist nicht das Erste, was mir einfällt für die langen dunklen Stunden im November. Wobei: Meine Strümpfe stopfe ich auch. Aus Überzeugung. Wegen eines läppischen Lochs werfe ich doch meine Strümpfe nicht weg.
Noch mehr gefällt mir: sich treffen und gegenseitig Geschichten erzählen. Das finde ich eine gute Idee. Ich liebe Geschichten. Vor allem, wenn sie temperamentvoll erzählt sind. Oder eine Pointe haben. Geschichten erzählen und erzählt zu bekommen, das gefällt mir.
Das lässt sich umsetzen! Einfach Freunde und Bekannte einladen zu einem Glas Wein oder einem Tee und sagen: Bringt eine schöne Geschichte mit! Kerzen anzünden. Käse, Wurst und Brot auf den Tisch stellen. Und dann geht es los mit dem Erzählen.
Es gäbe nicht die Märchen aus tausendundeiner Nacht oder die der Brüder Grimm, keine Sammlungen von Sagen und Mythen, ja noch nicht einmal die Bibel, wenn Menschen Geschichten nicht lieben würden. Junge und Alte gleichermaßen. So sind diese Geschichten immer und immer wieder erzählt worden. Manche im kleinen, privaten Kreis. Andere sind so lange bei Festen und öffentlichen Anlässen vorgetragen worden, bis man sie aufgeschrieben hat. Um sie im Gedächtnis zu halten. Um ihren Kern zu wahren.
Sich treffen und Geschichten erzählen. Ich überlege mir, welche ich erzählen würde. Vielleicht eine Geschichte aus meiner Kindheit. Oder etwas von den Pfadfindern, von einem der Sommerlager, wie wir über Tage völlig verdreckt dem Regen getrotzt haben. Oder eine Geschichte über die erste Reise nur mit meinen Freunden. In ein Land, das es so heute überhaupt nicht mehr gibt. Je länger ich nachdenke, desto mehr fällt mir ein.
Geschichten sind wunderbar. Sie machen die eigene Geschichte aus und deuten sie. Wer sie erzählt, schenkt dem Gegenüber etwas von sich.
Noch bis zur Wintersonnenwende in einem Monat werden die Tage kürzer. Bis dahin gibt es noch viele Abende zum Geschichten hören und erzählen. Um die dunkle Zeit von innen zu erhellen
Es gilt das gesprochene Wort.