Hospiz bedeutet ursprünglich Gasthaus. Sterbende sind im Hospiz Gäste auf ihrer letzten Reise. Und sie bekommen die bestmögliche Begleitung.
Sendung nachlesen:
Vor einigen Wochen ist meine Schwiegermutter verstorben. Zu Beginn der Corona-Zeit war sie an Krebs erkrankt. Die Prognose war schlecht. Ich dachte, sie würde bald sterben. Aber dann hat sich gezeigt: Ihr Körper war, trotz des Alters, in einem guten Zustand. Die Therapien hat sie mit Gleichmut über sich ergehen lassen. Sie hat sie gut vertragen. Vor allem war ihr Lebenswille ungebrochen.
Vier Jahre sind ihr geschenkt worden. Sie hat eine letzte große Reise gemacht und kleinere Ausflüge. Im letzten Jahr wurde es dann schwierig. Der Krebs hat sich im Körper ausgebreitet. Schmerzen. Schwäche. Appetitlosigkeit. Sie wird schon nach dem Frühstück wieder müde, liegt mehr, als sie auf ist. An Weihnachten ist mir klar: Dies wird ihr letztes Weihnachten sein. Dann geht alles schnell. Krankenhausaufenthalte, ein paar Tage zuhause. Wieder Krankenhaus.
Mit dem Arzt sprechen wir über einen Platz im Hospiz. Er befürwortet das und will helfen – aber wir finden keinen Platz. Die Nachfrage ist viel größer als das Angebot. Darum lassen wir bei ihr zuhause umbauen. Sie bekommt ein Pflegebett, ein Zimmer wird komplett umgeräumt. Zwei Sanitäter tragen sie in die Wohnung. Sie legen sie ins Bett, das sie nicht mehr verlässt. Nach drei Tagen stirbt sie.
Wir Hinterbliebenen sind total erschöpft: von dem Hin und Her, der Überforderung – ihrem Sterben-Müssen und Nicht-Sterben-Können. Es war ein schweres Sterben. Ich hätte ihr und uns gewünscht, dass es anders gewesen wäre. Leichter. Einfacher. Ich bin überzeugt, ein Hospiz hätte ihr geholfen. Uns auch.
In einem Hospiz gibt es Menschen, die wissen, was zu tun ist, wenn sich jemand auf die letzte Reise begibt. Menschen, die das Können und Gespür dafür haben, was diesem Sterbenden an dieser Stelle seines oder ihres Weges hilft. Ein Ort, an dem Schmerzen so gut wie möglich gestillt werden. Wo es schön ist und ruhig. Wo die Unruhe ein Ende findet. Wo der Trost wohnt und die Angst weichen kann.
Durch meine Arbeit als Pfarrerin habe ich in den vergangenen Jahren viele Hospize besucht. Ich war dabei, als für neue Hospize der Grundstein gelegt, Richtfest oder Einweihung gefeiert wurde. Ich kenne Hospize, die ganz neu sind, und solche, die schon 30 Jahre auf dem Buckel haben. Ihnen allen ist gemeinsam: Sie sind freundliche Orte. Orte voll von Leben und Licht. Ich erinnere mich an meine Beklommenheit, als ich das erste Mal ein Hospiz besucht habe. Ich war sehr versucht zu flüstern und hatte die Sorge, der Tod würde durch jedes Schlüsselloch linsen.
Aber schnell habe ich mich beruhigt. Hier wird geredet und auch mal gelacht. Hier gibt es Leibgerichte und auch einen Aperitif. Natürlich wird hier geweint und letztlich gestorben. Der Tod bleibt der Tod. Das ist immer traurig, weil ein Mensch nicht mehr ist, sein Leben, ihre Geschichten, seine Hoffnung und ihre Fragen.
Aber das Sterben, das so viele fürchten – ich auch -, verliert seinen Schrecken. Weil es palliative Möglichkeiten und Seelsorge gibt, die lindern, was Sterben so schwer macht. Und dann kann es tatsächlich gelingen, dem Tod ins Auge zu sehen. Ohne Angst. Ihn zu verstehen als Übergang in ein anderes neues Leben.
Es gilt das gesprochene Wort.
Feedback zur Sendung? Hier geht's zur Umfrage!